Der Gipfel der Unprofessionalität
Schreiben an den AfD-Bundesvorstand vom 23.05.2024
Sehr geehrte Mitglieder des Bundesvorstandes,
man
kann kritisieren, dass der Spitzenkandidat einer deutschen rechten
Partei sich inmitten der heißen Wahlkampfphase zum Tretminen-Thema
äußert - zumal man damit auch anders umgehen kann, also etwa in der
Reaktion auf die Meta-Ebene gehen kann und seinem journalistischen
Gegenüber vorhalten kann, wieso es dieses Thema jetzt überhaupt
anspricht (der Grund liegt ja auf der Hand). Habe ich selbst schon in
Interviews so gemacht und hinterher gab es keine skandalisierbaren
Äußerungen. Man kann über das Thema reden und schreiben, ohne Skandale
zu erzeugen (in meinem Fall: Mit "cum laude" bewertete Doktorarbeit in
Buchlänge) und muss es nicht scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Aber
man sollte wissen, wann, wo und in welchem Rahmen man das tut und wann
es (auch strategisch) falsch ist, das zu tun.
Dieser strategische
Fehler ist aber nicht ansatzweise (!) so gravierend, wie die, den
gerade der AfD-Bundesvorstand und die AfD-EU-Parlamentarier machen, wenn
sie Maximilian Krah inmitten des Wahlkampfes isolieren, sabotieren und
absetzen. Ich wiederhole es immer wieder: Auch in einer solchen Krise
hätte sich ein erfolgreiches "role model" wie Donald Trump nie, nie,
niemals eine solche Spaltung der eigenen Mannschaft geleistet. Er wäre
nach vorne geprescht und in die Offensive gegangen, aber er hätte
niemals dem Establishment den Gefallen getan, einen eigenen Kandidaten
mitten in der heißen Wahlkampfphase abzusägen.
Ich besitze einen
Master-Abschluss in "Politischer Kommunikation" und gestehe mir damit in
aller Bescheidenheit schon etwas Ahnung in dem Thema zu: Es ist ein
absolutes No-Go, mitten in der heißen Wahlkampfphase von seinem eigenen
Spitzenkandidaten abzuspringen oder, wie es jetzt geschieht, sogar noch
weiter gegen ihn vorzugehen. Das TUT MAN EINFACH NICHT, es sei denn, er
wurde als Schwerverbrecher zu mehreren Jahren Haft verurteilt (nicht:
lediglich angeklagt). In ALLEN anderen Fällen wartet man mit der
Begleichung der Rechnung / Absetzung / Sanktionen etc. bis NACH der
Wahl. Punkt. Selbst im höchsten Maß der Zerstrittenheit zwischen Guido
Westerwelle und Jürgen Möllemann im FDP-Bundestagswahlkampf 2002 im Zuge
der Nahost-Flyer-Affäre hat man letzteren erst NACH der Wahl abgesägt,
weil man in der FDP-Parteizentrale wenigstens diesen Grundsatz beherzigt
hatte. Dass unser Bundesvorstand nicht einmal das verstanden hat, er
nicht nur wieder die Partei spalten lässt und sich daran beteiligt,
sondern nicht einmal das TIMING des Ganzen beherrscht, lässt mich nur
noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und in Facepalms
versinken. Wozu machen wir jetzt überhaupt noch Wahlkampf? Wie erkläre
ich jetzt noch einem Bielefelder Mitglied, für was es eigentlich Flyer
verteilen oder sich am Infostand beleidigen lassen soll?
Dem
politischen Establishment ist mit alldem ein weitaus größerer Schlag
gegen uns gelungen als mit Potsdam. Bei Potsdam haben wir relativ
einmütig reagiert. Diesmal ist das Gegenteil der Fall, möglicherweise
auch, weil manche wieder einmal persönliche Rechnungen begleichen
wollten. Ich prophezeie: Dies alles wird noch lange nachwirken. Über den
Herbst (und damit die Landtagswahlen in Mitteldeutschland) hinaus
sowieso, aber vermutlich auch noch bis zur Bundestagswahl und
NRW-Kommunalwahl im nächsten Jahr. So schnell erholen wir uns davon
nicht. Und der Bundesvorstand ist hier, das muss man leider sagen, ein
maßgeblicher Mitschuldiger in diesem Drama geworden. Ich frage mich sehr
ernst, wie Sie die Scherben dieses Desasters wieder aufzukehren
gedenken.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Florian Sander
Kreisvorsitzender AfD Bielefeld
Mitglied des Landesfachausschusses Außen- und Sicherheitspolitik der AfD NRW
Mitglied des Landesfachausschusses Grundwerte, Kultur und Medien der AfD NRW
Mitglied der Landesprogrammkommission der AfD NRW
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