Offener Brief an zwei Historiker

Sehr geehrte Frau Prof. Morina, sehr geehrter Herr Prof. Frei,

ich habe es eigentlich aufgegeben, mich zu den zahlreichen, aus meiner Sicht oft unsinnigen bis schlicht schrill-hysterischen Stellungnahmen zur AfD zurückzumelden. Wenn ich allerdings so derart irreführende und besonders im Falle Herrn Prof. Freis so derart ahistorische und undifferenzierte Äußerungen über meine Partei lese, und das dann noch von habilitierten Historikern teils mit lokalem Bezug zu meiner Stadt, dann kann ich das nicht unkommentiert lassen - auch als AfD-Politiker, der selbst zum Rechtssystem im Nationalsozialismus promoviert hat.

Zunächst einmal vorweg: Wie vereinbaren Sie es eigentlich mit Ihrer Rolle als staatliche Beamte, sich so offen - gerade nicht als Privatpersonen, sondern eben in der Rolle als Professoren! - in die Parteipolitik einzumischen und - ganz offen im Zuge dieser Rolle - die jetzt wieder größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag öffentlich anzugehen? Könnte es sich angesichts dieser Tatsache, dass Sie das - trotz angeblich weltanschaulicher Neutralität des Staates und damit auch seiner Beamten - wie selbstverständlich tun, nicht auch um ein Indiz dafür handeln, dass der Staatsapparat in diesem Lande inzwischen ein (partei-)politisches Eigenleben entwickelt hat?

Jetzt einmal ganz konkret zur bei weitem undifferenziertesten Äußerung Herrn Prof. Freis, der zufolge Sie ja sogar schon offen fragen, wieso man die AfD eigentlich noch als nur "in Teilen rechtsextrem" bezeichnen müsse, obwohl man sich ja bei uns von den "wüstesten Propagandisten" gar nicht mehr distanziere. Zunächst einmal, Herr Prof. Frei: Es sind weder Sie noch der regierungsgesteuerte Verfassungsschutz, der abschließend definiert, ab wann eine Partei (und sei es auch nur in Teilen) "extremistisch", also gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet ist. Verbindlich feststellen tut dies einzig und allein das Bundesverfassungsgericht und - aus guten, übrigens verfassungsrechtlichen Gründen - NICHT eine Behörde der Exekutive. Insofern ist selbst das "in Teilen" bisher nichts weiter als die "Einschätzung" einer (partei-)politisch gesteuerten Behörde.

Dann: Selbst wenn man diese Einschätzung für bare Münze nähme (was ich ausdrücklich nicht tue), so wäre es ein Akt der analytischen Differenziertheit (den ich von einem Professor für Geschichtswissenschaft eigentlich erwarten würde), dass man eben jenen, bisher selbst vom VS nicht als extremistisch eingestuften Teilen der Partei zugesteht, dass sie vielleicht von den als extremistisch etikettierten Parteifreunden schlicht und einfach eine andere, vom VS abweichende Sichtweise haben. Und dass man deswegen nicht eine reine Nicht-Distanzierung bereits als einen Beleg dafür sehen kann, dass die Sich-Nicht-Distanzierenden selbst auch gleich Extremisten seien. Was ist das für eine undifferenzierte, unsaubere, unseriöse und pauschalisierende Logik, die Sie, Herr Professor Frei, da an den Tag legen? Eine Logik, die Sie vermutlich keinem Ihrer Studenten bei einer wissenschaftlichen Arbeit hätten durchgehen lassen.

Übrigens, an dieser Stelle einmal ein Gedankenexperiment: In der Partei Die LINKE, früher PDS, gibt es die Kommunistische Plattform (KP), die man nun durchaus berechtigt als linksextrem bezeichnen kann, was übrigens auch der Sichtweise des Verfassungsschutzes entspricht, der Die LINKE bzw. PDS daher auch schon als "in Teilen linksextrem" bezeichnete. Sind für Sie jetzt also alle Mitglieder der Partei Die LINKE "linksextrem" bzw. stalinistisch / antidemokratisch etc., weil sie sich nicht von der KP distanzieren bzw. sie in ihrer Partei dulden? Ernst gemeinte Frage! Denn: Wenn nicht, führen Sie damit Ihre eigene Logik hinsichtlich der AfD ad absurdum. Interessant übrigens auch, dass es trotz dieser Einstufung der KP bzw. der PDS / LINKE nie eine "Brandmauer" zu dieser Partei gab, geschweige denn Verbotserwägungen.

In diesem Zusammenhang kann man auch Ihre Bewertung ("Forderung nach Renazifizierung") der hervorragenden Rede von JD Vance nur als historischen Unsinn gröbster Art bezeichnen - Sie sollten sich schämen, als Historiker so etwas zu äußern, und müssten sich eigentlich beim US-Vizepräsidenten dafür entschuldigen. Der US-Vizepräsident hat das Fehlen von Meinungsfreiheit bemängelt und damit auf einen ur-demokratischen Grundwert abgestellt. Vielmehr sollte man sich die Frage stellen, was es eigentlich über das Demokratieverständnis jener, die ihn dafür kritisieren, aussagt, und in was für einer abseitigen, irrationalen und von Gruppendenken geprägten politischen Welt diese sich mittlerweile eigentlich eingerichtet haben.

Frau Prof. Morina wiederum spricht von einigen wenigen "Oligarchen", die Kommunikation beeinflussten. Bei solchen Einstufungen ist vor allem immer interessant, was Sie nicht dazu sagen: Warum bezeichnen Sie eigentlich nicht z. B. George Soros oder Bill Gates ebenso als Oligarchen? Schließlich mischen sich beide Milliardäre über sehr finanzstarke Stiftungen und NGO-Finanzierung bereits seit Jahren in die politische Kultur zahlreicher Staaten ein, auch in Deutschland. Und dennoch: Aufschrei? Fehlanzeige. An den Oligarchen stören Sie sich alle erst dann, wenn diese die aus Ihrer Sicht falsche Stoßrichtung verfolgen. Ich nenne das: Scheinheilig und zutiefst doppelmoralisch.

Dann, Frau Prof. Morina, sagen Sie allen Ernstes in einem scheinbar positiven Duktus (!), dass Europa der einzige Ort der Welt sei, wo systematisch versucht werde, "die sozialen Medien zu regulieren" - so als sei dies etwas demokratisches! Faktisch jedoch beschränkt auch diese versuchte Regulierung, die in Cancel Culture mündet, einen ur-demokratischen Wert, nämlich die Freiheit, seine Meinung zu äußern. Ich frage mich ernsthaft, wie Sie es mit differenziertem sozialwissenschaftlichem Denken vereinbaren können, das Fehlen (!) von Regulierung in einem bestimmten Bereich als "un-" oder gar "antidemokratisch" zu brandmarken. Sie mögen es ja falsch finden, man kann es zu libertär finden o. ä. - aber ein staatlich-repressiver, autoritärer oder gar totalitärer Apparat ist stets gekennzeichnet durch ein ZUVIEL an Zensur, durch ein ZUVIEL an Regulierung, aber nicht einem ZU WENIG davon! Sie führen mit Ihrer Argumentation auch jede politikwissenschaftliche Erkenntnis über das Wesen von Autoritarismus und Totalitarismus ad absurdum, und das als Professoren für Geschichte - etwas, was mich als Politikwissenschaftler und Soziologen mittlerweile nur noch (fast) sprachlos zurücklässt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Florian Sander

Mitglied der Landesprogrammkommission der AfD NRW
Kreisvorsitzender und Oberbürgermeisterkandidat der AfD Bielefeld
Mitglied des Rates der Stadt Bielefeld

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Der selektive Verbotsstaat

Neues "Wir selbst"-Heft erschienen!

Macht und Zwang