Sozialer Wandel – Schicksal, Evolution oder beides?

Vortrag bei der Herbsttagung des Bundes Deutscher Unitarier am 8. Oktober 2022

Wenn man einen Soziologen fragt, was es mit „Schicksal“ auf sich hat, so müsste dieser meines Erachtens zunächst einmal erwidern: Wessen? Um wessen Schicksal geht es? Reden wir über Personen (Mikro-Ebene)? Reden wir über Gruppen und Organisationen (Meso-Ebene)? Oder reden wir über ganze Gesellschaften und ihre Teilbereiche, wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion, Kunst usw. (Makro-Ebene)? Denn all diese sozialen Systeme sind letztlich in der Lage, Entwicklung und sozialen Wandel zu erfahren, welcher dann letztlich – von ihnen oder ihrer sozialen Umwelt – als Schicksal rezipiert werden kann. Oder eben nicht. Und hier setzt die nächste Frage an, die ein Soziologe stellen muss, um „Schicksal“ zu charakterisieren: Was ist der Gegenbegriff? Ich kann nur wissen, was eine Sache genau ist, wenn ich weiß, was sie nicht ist. Wenn man von Schicksal redet, meint man zumeist so etwas wie (göttliche, gewissermaßen irgendwie „von oben“ kommende) Vorsehung oder Vorbestimmung.

Eine Frage der sozialen Ebene

Der Gegenbegriff würde also implizieren, dass es keine Vorbestimmung „von oben“ gibt, sondern eine Art mögliche Selbststeuerung und eigene Beeinflussbarkeit der weiteren Entwicklung. Ich würde an dieser Stelle jetzt einfach mal die These in den Raum werfen, dass wir als Unitarier, als „faustische Menschen“, es nicht so haben mit einer monotheistischen Auslegung von Vorsehung, nach der ein übergeordnetes, jenseitiges, also von Mensch, Natur und Universum weltlich getrenntes allmächtiges Wesen uns allen das Schicksal von „oben herab“ vorgibt. Da wir als Unitarier das Göttliche als Teil des Diesseits, der diesseitigen Welt und des Menschen selbst begreifen, haben wir teil am Göttlichen. Gibt es also eine göttliche Vorsehung, ein göttlich determiniertes Schicksal, dann haben wir logischerweise zumindest Teil an dessen Festlegung. Das allerdings muss, global gesehen, noch nicht so viel heißen: Angesichts einer menschlichen Gesamtbevölkerung von knapp 8 Milliarden Menschen ist der Einzelne da ein ziemlich kleines Rädchen im großen Weltgetriebe.

Auch und gerade deswegen kann man nicht einfach so dichotomisch fragen „Gibt es nun Schicksal oder nicht?“, sondern muss immer fragen: Über wessen Schicksal reden wir und auf welcher sozialen Ebene? Ich würde beispielsweise nicht postulieren wollen, dass die Frage von Krieg und Frieden eine globale Schicksalsfrage ist. Am Ende haben es die Staaten in der Hand, und zwar – immer noch, wie wir derzeit sehen – in sehr mächtigen Händen, jedenfalls im Falle der Großmächte. Auch ist sicherlich die Frage, ob ich in 20 Jahren an Lungenkrebs sterbe oder nicht, mindestens keine reine (!) Schicksalsfrage: Wenn ich am Tag eben nicht 10 Packungen an Kippen rauche, werde ich das Risiko, ein solches „Schicksal“ zu erleiden – das wenn, dann nur teilweise ein solches ist – jedenfalls deutlich minimieren. Auch wenn es mich nicht befreien wird vom natürlichen Gesetz, das jedes Leben irgendwann endet.

Interessant wird es aus meiner Sicht da, wo es um Entwicklungen auf jeweils höherer sozialer Ebene geht, die sich der – jedenfalls alleinigen – individuellen Beeinflussung entziehen. Genau dies ist dann der Punkt, wo oft „Schicksal“ gesehen wird, obwohl es im Grunde keine Vorbestimmung ist, sondern lediglich eine Entwicklung, die sich auf höherer sozialer Ebene vollzieht bzw. dort entschieden wurde. Manch ein Ukrainer etwa dürfte den jetzigen Krieg für sich persönlich kaum anders wahrnehmen als „Schicksal“, wie etwa eine lebensbedrohende Krankheit – eben, weil er allein darauf keinen Einfluss nehmen kann. Das bedeutet aber nicht, dass der Krieg göttlich „vorherbestimmt“ war, sondern nur, dass Beeinflussungen von Krieg und Frieden in den allermeisten Fällen nur auf der gesellschaftlich-politischen Makro-Ebene des Sozialen möglich sind, aber nicht auf der individuellen Mikro-Ebene. Dies gilt selbst in solchen Fällen – um diesen erwartbaren Einwand vorwegzunehmen – wo wir es mit Diktaturen zu tun haben, denn selbst ein Diktator kann nicht allein agieren, sondern ist immer ein (wenn auch mächtiges) Element eines größeren politischen Systems, eines Apparates, der wiederum Subsystemen bedarf um funktionieren zu können. Etwa in Form von Propaganda, von Polizei, Geheimdiensten, Militär oder anderen, regulären Behörden.

„Schicksal“ als kognitive Dissonanz-Reduktion

Mit anderen Worten heißt das, dass „Schicksal“ als Begriff eben nicht selten (nicht immer!) auch eine Art Legitimations- und innerer Beruhigungsmechanismus ist: Indem ich etwas als „Schicksal“ markiere, entziehe ich es für mich selbst oder auch vor anderen meinem eigenen, individuellen Verantwortungsbereich. Das kann durchaus eine wichtige psychologische Funktion haben. In der Sozialpsychologie spricht man hier von „kognitiver Dissonanz-Reduktion“. Kognitive Dissonanz bedeutet, dass die Psyche im inneren Konflikt steht zwischen zwei Reizen, beispielsweise in Form von Begierden, Wünschen und Motiven. Sie haben sich entschieden, nach dem opulenten Mittagessen noch diese leckere Torte zu essen, und dann auch gleich noch zwei Stück? Und jetzt haben Sie schlechtes Gewissen, weil Sie doch eigentlich auf Ihre Linie achten wollten? Ach, was solls, sagen Sie sich: Man muss sich ja mal was gönnen. Klassischer Akt einer kognitiven Dissonanz-Reduktion, im Zuge derer man im Nachhinein vor sich selbst einen Rechtfertigungsakt vornimmt, um eine Handlung, ein verfolgtes Motiv, was eigentlich einem anderen inneren Motiv widersprach (etwas leckeres essen versus nicht zunehmen wollen), vor sich selbst und / oder vor anderen zu rechtfertigen.

Sie haben eine langjährige Beziehung beendet und empfinden jetzt doch Liebeskummer und denken an die schönen Momente zurück? Ach was, sagen Sie sich dann: Es hat doch eh nicht funktioniert! Und schon können Sie vielleicht etwas besser damit leben. Sie haben beim Autohändler einen Wagen gesehen, der Ihnen gefiel, sich dann dagegen entschieden und hadern dann in den Tagen danach damit? „Ach, mein alter läuft ja auch noch gut.“ Oder: „Im Grunde war er ja eh hässlich.“ Das sagen Sie sich dann so lange, bis Sie selbst dran glauben, und schon geht es Ihnen wenigstens etwas besser damit. Kognitive Dissonanz-Reduktionen sind Teil unseres psychischen Alltages, jeden Tag, ständig. In großen und kleinen Fragen des Lebens.

Eine ähnliche Funktion nimmt nach meiner Beobachtung auch der offene oder verklausulierte Schicksalsbegriff ein, nicht immer, aber oft. „Die da oben machen ja eh was sie wollen.“ Klassische Form der kognitiven Dissonanz-Reduktion zur Rechtfertigung eigener politischer Untätigkeit. Ich muss irgendwie vor mir selbst rechtfertigen, dass ich, obwohl ich mit den politischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen unzufrieden bin, aber dennoch nicht einmal versuche, etwas dagegen zu tun. Also markiere ich Entscheidungen höherer sozialer Ebenen, für deren Beeinflussung man mehr Geduld und Standhaftigkeit braucht, fälschlich als „Schicksal“, als Fremd-Determinierung, und schon weiß ich wieder, wieso mir die Couch meiner Wohnung sympathischer ist als der AfD-Beitritt.

Man merkt an dieser Stelle, dass der Schicksalsbegriff ein hohes Missbrauchsrisiko in sich birgt. Auch in anderen Bereichen des Lebens: Der Mann, der 10 Packungen Zigaretten am Tag raucht, rechtfertigt die eigene Unfähigkeit, diese Sucht zu überwinden, um es klar zu sagen: diese eigene Schwäche im Zuge von kognitiver Dissonanz-Reduktion auch gern mit schicksalhafter Argumentation. „Ach, wenn’s mich erwischt, erwischt’s mich halt.“ „Sterben müssen wir ja alle mal.“ Ja, richtig. Aber wie ich sterbe, ob schnell und vielleicht nicht ganz so qualvoll, oder nach drei dutzend Chemo- und Strahlentherapien und OPs wegen nikotinbedingter Krebsarten – das kann dann halt eben doch mal einen Unterschied machen. Verweise auf’s (vermeintliche) Schicksal können tödlich sein.

Kapitalformen nach Bourdieu

Mit Pierre Bourdieu gibt es einen Soziologen, dessen Theorie über Kapital-Formen, die Menschen haben oder eben nicht haben können, oft vorgeworfen wurde, zu „deterministisch“ zu argumentieren. Hier geht es um einen anderen Aspekt von echtem oder vermeintlichem Schicksal und sozialem Wandel, nämlich den der sozialen Ungleichheit. Ist es „Schicksal“, wenn ich der Unterschicht oder der unteren Mittelschicht oder eben der Oberschicht oder oberen Mittelschicht angehöre? Hier zeigen sich klassische politische Streitfragen: Die klassische politische Linke, die sich oft auch auf Bourdieu beziehen, verweisen auf unterschiedliche „Startchancen“ im Leben, die aus der familiären Situation resultieren: Wenn die Familie aus der Unterschicht kommt, bleiben ihre Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eben dort. Familie als Schicksal?

Demgegenüber argumentieren Liberale eher individualistisch: Jeder könne und solle aus seinem Leben machen, was er will. Jeder ist seines Glückes Schmied, vom Tellerwäscher zum Millionär – in den USA ist diese Haltung am stärksten ausgeprägt, oft begleitet von einem – das muss man selbst als Kritiker anerkennen – unbändigen Optimismus, man werde es schon irgendwie schaffen, wenn einen der Staat und seine Helfershelfer nur in Ruhe lassen. Für liberale Individualisten gibt es also in diesen Dingen kein Schicksal, sondern jeder beeinflusst sein Leben selbst in starker Form.

Nun sollte man sich als Unitarier hüten, dieser meines Erachtens allzu plumpen liberal-individualistischen Auffassung zu unkritisch zu folgen. Nur haben wir es eben bei derlei „Determinationen“ oder Fremdbestimmungen der eigenen sozialen und gesellschaftlichen Platzierung nicht so sehr mit göttlicher Vorbestimmung zu tun, sondern wiederum – wie schon in der Frage von Krieg und Frieden – mit Faktoren, die einfach höheren sozialen Ebenen entstammen. Ich kann eben als Einzelner allein nicht über die soziale Platzierung meiner Familie entscheiden, und Bourdieu hat durchaus recht, wenn er postuliert, dass es über das rein ökonomische Kapital hinaus (also: Geld) zahlreiche Kapitalformen gibt, die mein Leben negativ wie positiv prägen können.

Bourdieu spricht hier zusätzlich vom sozialen, vom kulturellen und vom symbolischen Kapital. Soziales Kapital umfasst die sozialen Beziehungen, die man im Leben hat oder nicht hat, und die einem eben helfen oder schaden können. Denken Sie hier beispielsweise an „Vitamin B“, an Connections, die einem zu einem bestimmten Arbeitsplatz verhelfen – oder eben nicht. Oder an „falsche Freunde“ in der Schulzeit, wegen denen man auf die schiefe Bahn gerät. Symbolisches Kapital bezieht sich auf Prestige-Faktoren: Marken-Kleidung oder auch akademische Titel oder – auch heute noch – Adelstitel. Beim kulturellen Kapital geht es etwa um Bildungsabschlüsse oder Sprachkenntnisse, aber eben auch um so etwas wie Habitus: Weiß ich mich in den richtigen Situationen angemessen zu benehmen? Trotz gleicher Schulnoten dürfte manch ein Bewerber im Auswahlprozess vermutlich allein schon deswegen punkten, weil er eben auf die richtige Art und Weise redet, die richtigen Themen kennt, mit dem Personaler angemessen parlieren kann. In der Alltagssprache sagen wir dann, dass hier die „Chemie“ stimmt.

Nicht wissen, was man nicht weiß

Im Grunde geht es hier dann eigentlich um den richtigen, also passenden Habitus: Kann ich mich elaboriert ausdrücken, begreife ich sprachliche Hintersinnigkeiten, beim Humor etwa so etwas wie Ironie? Man kann zum Beispiel sagen: Wer Loriots Humor versteht, hat in jedem Fall schon einmal eine gewisse Grundintelligenz. All dies sind Fälle von Habitus, von kulturellem Kapital. So etwas kommt nur durch die Familie, und wer das familiär nicht gelernt hat, der wird es sich im Leben nur äußerst schwer selbst aneignen können. Oft nicht einmal wegen fehlendem Willen, sondern allein schon deshalb, weil die meisten gar nicht wissen, was ihnen da eigentlich genau fehlt (man weiß also quasi gar nicht, was man nicht weiß, was ja noch schlimmer ist, als wenigstens zu wissen, was man nicht weiß!). Fragen Sie mal zufällig jemand auf der Straße, was Habitus ist. Spätestens dann merken Sie, wie groß bzw. eher klein das Bewusstsein über diese Dinge ist. In all diesen Fällen werden soziale Entwicklungen dann als „schicksalhaft“ verstanden, obwohl sie im Grunde eher durch soziale Prozesse determiniert sind, die man durch großangelegte politische und gesellschaftliche Maßnahmen zumindest spürbar beeinflussen kann.

Hier kommen wir dann allerdings langsam zu der Frage, die auch ich nur ungenügend beantworten kann, zumal es eine ständige Streitfrage zwischen Natur- und Sozialwissenschaftlern ist: Wie viel von diesen familiären Prämissen ist eigentlich ansozialisiert oder eben doch vielmehr Genetik? Ich bin kein Genetiker, daher fehlt es mir an Expertise, das abschließend zu beantworten, so wie es den meisten Genetikern vermutlich an soziologischer und auch psychologischer Expertise fehlt, um dies zu tun. Indem ich aber anerkenne, dass mindestens ein Teil dieser Determinationen genetisch begründet ist, muss ich hier natürlich auch eine gewisse natürliche Schicksalhaftigkeit anerkennen, der man nicht entkommen kann, denn die eigenen Gene sind nun mal nicht eben veränderbar. Wobei auch hier wieder, mit Blick auf immer weiter fortschreitende Gentechnologie, Vorsicht geboten ist: Auch hier lernt der Mensch immer weiter, sein Schicksal bzw. das seiner Nachfahren zu beeinflussen, und ich meine im Übrigen, dies muss auch nichts Schlechtes sein. Auch nicht mit Blick etwa der Vermeidung von geistigen oder körperlichen Behinderungen: Diese sind, und das sage ich bewusst als Betroffener, nichts Wünschenswertes, und wo man sie vermeiden kann, da sollte man es tun.

Doch trotz aller möglichen aktuellen und künftigen gentechnologischen Entwicklungen muss man natürlich sagen, dass sich zumindest derzeit die Beeinflussung der eigenen Genetik dem Wirken des Normalsterblichen entzieht. Otto Normalverbraucher geht ja bisher nicht mal eben in irgendein Genlabor und sagt: „Tschuldigung, ich wär gern ein bisschen intelligenter / eloquenter / sportlicher / …, könnten Sie mal…?“. Wir alle sind also in der Tat immer noch und wohl auch weiterhin Betroffene der eigenen Evolution, sowohl der der Menschheit als Ganzes als auch in Bezug auf unsere eigene Familie innerhalb der Menschheit, unsere eigene Ethnie, unser eigenes Volk, in das wir hineingeboren werden und dem wir nicht einfach entkommen können oder sollten (auch wenn natürlich tausende von Deutschen das immer wieder aufgrund von Identitätskomplexen versuchen, aber wenn wir jetzt damit anfangen, sitzen wir noch bis zum Julfest hier).

Soziale und psychische Evolution

Nun bin ich wie gesagt kein Genetiker und auch kein Biologe, deswegen werde ich mich bei der Beleuchtung der Evolutionstheorie nicht zu weit aus dem naturwissenschaftlichen Fenster hängen. Allerdings findet der Evolutionsbegriff auch in der Soziologie Anwendung, und zwar, wenn es um gesellschaftlichen Wandel geht. Niklas Luhmanns Systemtheorie skizziert hier die Evolution von der segmentär differenzierten Stammesgesellschaft über die stratifiziert differenzierte, hierarchisch aufgebaute Ständegesellschaft hin zur modernen funktional differenzierten Gesellschaft, in der gesellschaftliche Teilsysteme wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Religion etc. gleichberechtigt nebeneinander existieren anstatt hierarchisch übereinander geordnet zu sein. Ich für meinen Teil würde sagen, dass ein wiederhergestelltes Primat des Politischen in Form politisch klar umrissener nationalstaatlicher Souveränität durchaus die höhere gesellschaftliche Evolutionsstufe hinter der funktionalen Differenzierung sein könnte, aber das nur am Rande.

Wobei es hier eigentlich geht und wieso ich das erwähne, ist, dass zumindest soziale Evolution – und damit in der Konsequenz auch die psychische, hin zum „faustischen Menschen“, der eine Verantwortungsdemokratie im Sinne Sigrid Hunkes tragen und verantworten kann – eben nicht einfach ein „von oben“ vorgesetztes, fremdbestimmtes Schicksal ist, sondern ein fortlaufender Selektionsprozess. Also ein Prozess, im Zuge dessen die „fittesten“, also die bestangepassten Strukturen (im Falle der Soziologie sprechen wir ja von sozialen Strukturen oder Systemen, nicht von einzelnen Lebewesen) überleben und sich durchsetzen. Und so gesehen ist soziale Evolution zwar ein göttlicher Vorgang, da das Göttliche allem innewohnt, aber gerade deswegen nichts fremdbestimmtes, sondern etwas, was durch die Dynamik von sozialen Einheiten im sozialen Wandlungsprozess erzeugt und vorangetrieben wird. Was funktioniert, bleibt und entwickelt sich weiter bzw. differenziert sich aus. Was nicht funktioniert, verschwindet. Das ist nicht schicksalhaft, sondern das Ergebnis auch selbstbestimmten Handels und Kommunizierens durch soziale Einheiten. 

Das bezieht sich dann, konsequent zu Ende gedacht, auch auf die individuelle, persönliche Mikro-Ebene. Trotz des zweifellos vorhandenen Eingebettet-Seins in vom Einzelnen wenig beeinflussbares genetisches Schicksal und in soziale Kontexte, die wir jedenfalls als „schicksalhaft“ rezipieren, auch wenn sie es gar nicht sind, habe ich eben doch immer auch die Möglichkeit der Entscheidung, der Entwicklung und der Selektion, wodurch psychische Evolution eintreten kann, wodurch ich selbst „wachsen“ und mich verbessern kann. Das kann ich dann zumeist umso besser, je mehr ich mich damit beschäftige, was schicksalhaft ist und was nicht, je mehr ich weiß, was ich nicht weiß, und wie ich dieses Nichtwissen beenden kann. In diesem Sinne: Ich hoffe, dieser Vortrag hat etwas dazu beigetragen, und wir können dadurch vielleicht etwas mehr an der Zurückdrängung der eigenen Schicksals-Wahrnehmung arbeiten und unser Leben stattdessen lieber als fortlaufende Evolution begreifen. 

Vielen Dank.

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