Gemeinschaft braucht auch Grenzen
Humanismus im politischen Diskurs
Ortrun Lenz hat in einer Ausgabe der freireligiösen Zeitschrift Wege ohne Dogma (10/2024) gleich mehrere Artikel beigesteuert, die allesamt mal mehr, mal weniger politische Implikationen beinhalten. Das Besondere: Sie pflegen dabei zunächst einen „inklusiven“ Duktus, kommen aber in der Konklusion dann immer zu recht „exkludierenden“ Schlussfolgerungen, was die konkrete Bedeutung ihrer Aussagen für die aktuelle gesellschaftspolitische Auseinandersetzung angeht. Konkretisieren wir diese Diagnose etwas.
Inklusiver Duktus
Nachdem BFGD-Präsidentin Renate Bauer im Vorwort bereits durchaus berechtigt für Freiheit und Vielfalt in Europa eingetreten ist (S. 204) und Hans-Günter Eschke zutreffend in einem Artikel auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Menschenwürde gegen Marktmechanismen zu verteidigen (S. 207), stellt Ortrun Lenz in einem Beitrag zum Humanismus u. a. auf „demokratische Werte“, „Rationales Denken“, „Inklusivität und den Respekt für unterschiedliche Weltanschauungen“, Unvoreingenommenheit, „Reproduktive Rechte“ und „Rechte indigener Völker“ ab (S. 208ff.). Später ergreift sie Partei gegen Rechtsextremismus und „rigide religiöse und ideologische Systeme“: Andersdenkende sollten nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung angesehen werden; es dürfe keine Absolutheitsansprüche einer Religion oder einer Ideologie geben (S. 212f.). In einem weiteren Beitrag argumentiert sie konkret gegen die AfD und verweist, Charles Darwin zitierend, darauf, dass Deutschland mit Veränderung und Wandel umgehen müsse (S. 220f.).
Ortrun Lenz’ Argumentation gegen die AfD ist nicht die erste, die in der Zeitschrift abgedruckt wurde und wird vermutlich auch nicht die letzte sein. Doch abseits der (eher strategischen) Frage, wie politisch eine Religionsgemeinschaft werden sollte und ob es sinnvoll ist, bald vermutlich an die 20 % der deutschen Wählerschaft derart aus der eigenen Religion zu exkludieren, steht hier vor allem eine andere Problematik im Mittelpunkt, die inhaltlich-argumentativer Natur und daher gewichtiger ist. Ortrun Lenz schreibt: „Die AfD beispielsweise beruft sich immer wieder auf das Konzept der ‚deutschen Traditionen‘ und fordert, dass Ausländer aus unserer Kultur ausgeschlossen werden, weil sie angeblich nicht zu Deutschland gehören“ (S. 220). Diese Argumentation basiere jedoch auf einem Fehlschluss, da es keine „rein deutsche Kultur“ gäbe (ebd.).
Irrationale Argumentation
Frau Lenz nutzt hier – bewusst oder unbewusst (?) – eine Methode, die inzwischen bei Argumentationen gegen die AfD sehr beliebt geworden ist: Man unterstellt ihr Dinge, die sie in dieser Form nie kommuniziert hat, und argumentiert dann dagegen, um die Partei als Ganzes als undemokratisch oder inakzeptabel hinzustellen. Jedoch: Gerade, wer auf „rationales Denken“ (s. o.) und „wissenschaftliche Kompetenz“ (S. 211) als anzustrebende Prinzipien abstellt, sollte dann doch höheren Ansprüchen an die eigene Argumentationsbasis genügen. Rational wäre: Gegen ein Postulat zu argumentieren, bedeutet dann auch, dieses Postulat anhand konkreter Quellen zu belegen. Dies geschah hier nicht – und kann es auch gar nicht.
Fakt ist, dass es keine einzige offizielle, dem Autor bekannte Stellungnahme der AfD als Partei oder ihrer Untergliederungen auf Landesebene gibt, die aussagt, Ausländer generell müssten „aus unserer Kultur ausgeschlossen werden, weil sie angeblich nicht zu Deutschland gehören“ (Zitat Lenz). Rein rechtlich gehören Ausländer insofern nicht zu Deutschland, als dass sie qua Definition keine deutschen Staatsbürger sind und daher auch keine vollen staatsbürgerschaftlichen Rechte genießen können. Ein Grundsatz, der in dieser Systematik rings um den Globus ein normales Faktum ist – wäre dies „rechtsextrem“, wäre jeder einzelne Nationalstaat der Welt ein rechtsextremes Konstrukt. Dass man also politisch-rechtliche Unterschiede zwischen Staatsbürgern und Ausländern macht, ist demnach keine bloße AfD-Position, sondern Konsens in der Staatsordnung als solcher.
Faktencheck
An keiner Stelle hat die AfD jemals gefordert, Ausländer insgesamt aus unserer Kultur auszuschließen. Was sie hingegen in ihren programmatischen Positionierungen und ihren Stellungnahmen sagt, ist:
1.) Es darf keine Massenmigration geben, da diese den deutschen Staat gesellschaftlich, strukturell und finanziell überfordert. Daher muss Zuwanderung restriktiv gehandhabt und begrenzt werden, etwa in Form des kanadischen Modells. Grundsätzlich abgelehnt wird Zuwanderung aber ausdrücklich nicht (AfD-Grundsatzprogramm: S. 122ff.).
2.) Menschen, die auf der Basis des Asylrechts Aufnahme finden, müssen wieder ausreisen, sobald der Asylgrund erloschen ist. Das Asylrecht an sich wird nicht in Frage gestellt (ebd.: S. 116ff.).
3.) Ausländer, die sich strafbar gemacht haben oder terroristische Gefährder sind, sollen das Land verlassen (ebd.: S. 127f.). Hierauf bezieht sich auch die in der ersten Jahreshälfte 2024 vielzitierte Forderung nach „Remigration“, jedenfalls, sofern sie von der Partei geäußert wird.
Diese drei durch konkrete Quellen herleitbaren Fakten gilt es zu widerlegen, wenn Frau Lenz ihre oben zitierte Äußerung über die AfD aufrechterhalten will. Andernfalls ist ihre Art der Argumentation vor allem eines: Irrational und unwissenschaftlich, da auf die Partei projiziert auf der Basis informeller Einzelaussagen – womit sie den von ihr selbst wenige Seiten zuvor gesetzten Prinzipien widerspricht. Mit anderen Worten: Der „Faktencheck“ widerspricht Frau Lenz – ihr und auch vielen anderen Behauptungen, die durch ständige Wiederholungen jedoch nicht wahrer werden.
Und auch andere – durchaus zurecht postulierte – Grundsätze scheinen demnach durchaus in einem Gegensatz zu anderen Ausführungen zu stehen: Wenn etwa über mehrere WoD-Ausgaben hinweg fortwährend die politischen Forderungen nur einer Seite des derzeitigen gesellschaftlichen „Grabens“ postuliert werden (Diversität, bestimmte Auslegungen von Rechten, die aber eben auch anderen Auslegungen widersprechen, siehe etwa: Wert des ungeborenen Lebens), wie „inklusiv“ ist ein solcher Ansatz dann eigentlich noch? Wie viel „Respekt für Andersdenkende“ beinhaltet die von der Autorin andernorts, aber öffentlich vertretene Forderung, eine Partei mit einem Wählerpotenzial von derzeit ca. 20 % zu verbieten, sie auf sozialen Netzwerken zu zensieren etc.? Verspricht sie sich davon ernsthaft mehr „gesellschaftlichen Zusammenhalt“? Verbieten und weg ist das Problem? Wird hier nicht sogar selbst die Position eines „rigiden ideologischen Systems“ eingenommen, wenn basierend auf politischem Hörensagen und zweifelhaft kolportierten Anwürfen parteipolitische Positionierungen vorgenommen werden, ohne auch nur eine einzige Quelle anzuführen, die diese Anwürfe belegen würde? Und: Glaubt sie ernsthaft, dass die aktuell zweifelsfrei sichtbare gesellschaftliche Spaltung, die in der Tat überwunden werden muss, nur von einer „Seite“ ausgegangen ist?
Übrigens: Frau Lenz spricht sich auf S. 212 gegen „religiösen Fanatismus“ und gegen „rechtsextreme Überzeugungen“ aus, unterlässt es aber, den Linksextremismus zu benennen. Ist dieser dann also nicht zu verurteilen? Auch AfD-Mitglieder erleben immer wieder linksextreme Übergriffe. Sind diese aus Sicht der Autorin, die mehr Respekt für Andersdenkende anmahnt, ebenso zu verurteilen wie jene aus der rechtsextremen Ecke? Man wartet hier vergeblich auf eine Antwort.
Dem Autor dieser Zeilen ist klar, dass er notgedrungen in diesem Text sehr (partei-)politisch geworden ist. Zugleich sollte jedoch allen, die dies kritisieren, klar sein: Er reagiert damit lediglich auf mindestens einen seinerseits parteipolitisch verorteten Text innerhalb einer – eigentlich – religiösen Zeitschrift, deren Autorin bei entsprechenden Aussagen dann damit rechnen muss, dass ihr diesbezüglich auch widersprochen werden wird.
Völker und Gemeinschaften brauchen Schutz
Selbstverständlich wandeln sich Gesellschaften und Nationen, Völker und Sprachen. Kaum jemand würde und kann das realistisch betrachtet bezweifeln. Genauso wahr ist aber auch, dass Völker und Nationen, die ihre kulturellen Eigenheiten nicht schützen, auf Dauer untergehen. Ortrun Lenz plädiert in einem ihrer Beiträge sogar – und zurecht – für den Schutz indigener Völker (s. o.), womit sie übrigens implizit anerkennt, dass es Völker „gibt“. Warum gesteht sie anderen Völkern etwas zu, was sie dem deutschen scheinbar nicht zugesteht? Nämlich: Den Schutz und die Bewahrung der eigenen Kultur vor einem Zuviel an von außen oder innen aufgezwungenem Wandel, vor einem Zuviel an Zuwanderung, vor einem Zuviel an Multikulturalität, das, wie auch in vielen anderen Ländern Europas sichtbar, zu sozialen Konflikten führt, die keinesfalls einseitig nur mit „Rechtsextremismus“ erklärt werden können. Sollte das, was wir etwa heute den amerikanischen Ureinwohnern – zurecht – zugestehen, nicht auch für Deutsche und für alle anderen Völker selbstverständlich gelten?
Gemeinschaft ist ein essenzieller Wert, sowohl aus politischer als auch aus religiöser Sicht. Gemeinschaft bedeutet aber auch zu wissen, wo diese Gemeinschaft endet, wo es Unterschiede gibt, wo es Differenzen gibt und geben muss, wo man die Tür öffnet, aber auch, wo man sie schließt, um das, was man hat, zu bewahren und nicht zu überlasten. Humanismus bedeutet in diesem Zusammenhang auch, jeder menschlichen Gemeinschaft das Recht zuzugestehen, sich auf ihre bestimmte, von ihr gewünschte Weise zu organisieren, ohne stets eine „Öffnung aller überall für alles“ erzwingen zu wollen. Denn das, eben genau das schafft politische und gesellschaftliche Gegen- und Protestbewegungen, die sich gegen derlei (oft auch von immer mehr abgehobenen Eliten) erzwungene Öffnungen wehren und irgendwann sagen: „Jetzt ist es genug.“
Ortrun Lenz hat in einer Ausgabe der freireligiösen Zeitschrift Wege ohne Dogma (10/2024) gleich mehrere Artikel beigesteuert, die allesamt mal mehr, mal weniger politische Implikationen beinhalten. Das Besondere: Sie pflegen dabei zunächst einen „inklusiven“ Duktus, kommen aber in der Konklusion dann immer zu recht „exkludierenden“ Schlussfolgerungen, was die konkrete Bedeutung ihrer Aussagen für die aktuelle gesellschaftspolitische Auseinandersetzung angeht. Konkretisieren wir diese Diagnose etwas.
Inklusiver Duktus
Nachdem BFGD-Präsidentin Renate Bauer im Vorwort bereits durchaus berechtigt für Freiheit und Vielfalt in Europa eingetreten ist (S. 204) und Hans-Günter Eschke zutreffend in einem Artikel auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, die Menschenwürde gegen Marktmechanismen zu verteidigen (S. 207), stellt Ortrun Lenz in einem Beitrag zum Humanismus u. a. auf „demokratische Werte“, „Rationales Denken“, „Inklusivität und den Respekt für unterschiedliche Weltanschauungen“, Unvoreingenommenheit, „Reproduktive Rechte“ und „Rechte indigener Völker“ ab (S. 208ff.). Später ergreift sie Partei gegen Rechtsextremismus und „rigide religiöse und ideologische Systeme“: Andersdenkende sollten nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung angesehen werden; es dürfe keine Absolutheitsansprüche einer Religion oder einer Ideologie geben (S. 212f.). In einem weiteren Beitrag argumentiert sie konkret gegen die AfD und verweist, Charles Darwin zitierend, darauf, dass Deutschland mit Veränderung und Wandel umgehen müsse (S. 220f.).
Ortrun Lenz’ Argumentation gegen die AfD ist nicht die erste, die in der Zeitschrift abgedruckt wurde und wird vermutlich auch nicht die letzte sein. Doch abseits der (eher strategischen) Frage, wie politisch eine Religionsgemeinschaft werden sollte und ob es sinnvoll ist, bald vermutlich an die 20 % der deutschen Wählerschaft derart aus der eigenen Religion zu exkludieren, steht hier vor allem eine andere Problematik im Mittelpunkt, die inhaltlich-argumentativer Natur und daher gewichtiger ist. Ortrun Lenz schreibt: „Die AfD beispielsweise beruft sich immer wieder auf das Konzept der ‚deutschen Traditionen‘ und fordert, dass Ausländer aus unserer Kultur ausgeschlossen werden, weil sie angeblich nicht zu Deutschland gehören“ (S. 220). Diese Argumentation basiere jedoch auf einem Fehlschluss, da es keine „rein deutsche Kultur“ gäbe (ebd.).
Irrationale Argumentation
Frau Lenz nutzt hier – bewusst oder unbewusst (?) – eine Methode, die inzwischen bei Argumentationen gegen die AfD sehr beliebt geworden ist: Man unterstellt ihr Dinge, die sie in dieser Form nie kommuniziert hat, und argumentiert dann dagegen, um die Partei als Ganzes als undemokratisch oder inakzeptabel hinzustellen. Jedoch: Gerade, wer auf „rationales Denken“ (s. o.) und „wissenschaftliche Kompetenz“ (S. 211) als anzustrebende Prinzipien abstellt, sollte dann doch höheren Ansprüchen an die eigene Argumentationsbasis genügen. Rational wäre: Gegen ein Postulat zu argumentieren, bedeutet dann auch, dieses Postulat anhand konkreter Quellen zu belegen. Dies geschah hier nicht – und kann es auch gar nicht.
Fakt ist, dass es keine einzige offizielle, dem Autor bekannte Stellungnahme der AfD als Partei oder ihrer Untergliederungen auf Landesebene gibt, die aussagt, Ausländer generell müssten „aus unserer Kultur ausgeschlossen werden, weil sie angeblich nicht zu Deutschland gehören“ (Zitat Lenz). Rein rechtlich gehören Ausländer insofern nicht zu Deutschland, als dass sie qua Definition keine deutschen Staatsbürger sind und daher auch keine vollen staatsbürgerschaftlichen Rechte genießen können. Ein Grundsatz, der in dieser Systematik rings um den Globus ein normales Faktum ist – wäre dies „rechtsextrem“, wäre jeder einzelne Nationalstaat der Welt ein rechtsextremes Konstrukt. Dass man also politisch-rechtliche Unterschiede zwischen Staatsbürgern und Ausländern macht, ist demnach keine bloße AfD-Position, sondern Konsens in der Staatsordnung als solcher.
Faktencheck
An keiner Stelle hat die AfD jemals gefordert, Ausländer insgesamt aus unserer Kultur auszuschließen. Was sie hingegen in ihren programmatischen Positionierungen und ihren Stellungnahmen sagt, ist:
1.) Es darf keine Massenmigration geben, da diese den deutschen Staat gesellschaftlich, strukturell und finanziell überfordert. Daher muss Zuwanderung restriktiv gehandhabt und begrenzt werden, etwa in Form des kanadischen Modells. Grundsätzlich abgelehnt wird Zuwanderung aber ausdrücklich nicht (AfD-Grundsatzprogramm: S. 122ff.).
2.) Menschen, die auf der Basis des Asylrechts Aufnahme finden, müssen wieder ausreisen, sobald der Asylgrund erloschen ist. Das Asylrecht an sich wird nicht in Frage gestellt (ebd.: S. 116ff.).
3.) Ausländer, die sich strafbar gemacht haben oder terroristische Gefährder sind, sollen das Land verlassen (ebd.: S. 127f.). Hierauf bezieht sich auch die in der ersten Jahreshälfte 2024 vielzitierte Forderung nach „Remigration“, jedenfalls, sofern sie von der Partei geäußert wird.
Diese drei durch konkrete Quellen herleitbaren Fakten gilt es zu widerlegen, wenn Frau Lenz ihre oben zitierte Äußerung über die AfD aufrechterhalten will. Andernfalls ist ihre Art der Argumentation vor allem eines: Irrational und unwissenschaftlich, da auf die Partei projiziert auf der Basis informeller Einzelaussagen – womit sie den von ihr selbst wenige Seiten zuvor gesetzten Prinzipien widerspricht. Mit anderen Worten: Der „Faktencheck“ widerspricht Frau Lenz – ihr und auch vielen anderen Behauptungen, die durch ständige Wiederholungen jedoch nicht wahrer werden.
Und auch andere – durchaus zurecht postulierte – Grundsätze scheinen demnach durchaus in einem Gegensatz zu anderen Ausführungen zu stehen: Wenn etwa über mehrere WoD-Ausgaben hinweg fortwährend die politischen Forderungen nur einer Seite des derzeitigen gesellschaftlichen „Grabens“ postuliert werden (Diversität, bestimmte Auslegungen von Rechten, die aber eben auch anderen Auslegungen widersprechen, siehe etwa: Wert des ungeborenen Lebens), wie „inklusiv“ ist ein solcher Ansatz dann eigentlich noch? Wie viel „Respekt für Andersdenkende“ beinhaltet die von der Autorin andernorts, aber öffentlich vertretene Forderung, eine Partei mit einem Wählerpotenzial von derzeit ca. 20 % zu verbieten, sie auf sozialen Netzwerken zu zensieren etc.? Verspricht sie sich davon ernsthaft mehr „gesellschaftlichen Zusammenhalt“? Verbieten und weg ist das Problem? Wird hier nicht sogar selbst die Position eines „rigiden ideologischen Systems“ eingenommen, wenn basierend auf politischem Hörensagen und zweifelhaft kolportierten Anwürfen parteipolitische Positionierungen vorgenommen werden, ohne auch nur eine einzige Quelle anzuführen, die diese Anwürfe belegen würde? Und: Glaubt sie ernsthaft, dass die aktuell zweifelsfrei sichtbare gesellschaftliche Spaltung, die in der Tat überwunden werden muss, nur von einer „Seite“ ausgegangen ist?
Übrigens: Frau Lenz spricht sich auf S. 212 gegen „religiösen Fanatismus“ und gegen „rechtsextreme Überzeugungen“ aus, unterlässt es aber, den Linksextremismus zu benennen. Ist dieser dann also nicht zu verurteilen? Auch AfD-Mitglieder erleben immer wieder linksextreme Übergriffe. Sind diese aus Sicht der Autorin, die mehr Respekt für Andersdenkende anmahnt, ebenso zu verurteilen wie jene aus der rechtsextremen Ecke? Man wartet hier vergeblich auf eine Antwort.
Dem Autor dieser Zeilen ist klar, dass er notgedrungen in diesem Text sehr (partei-)politisch geworden ist. Zugleich sollte jedoch allen, die dies kritisieren, klar sein: Er reagiert damit lediglich auf mindestens einen seinerseits parteipolitisch verorteten Text innerhalb einer – eigentlich – religiösen Zeitschrift, deren Autorin bei entsprechenden Aussagen dann damit rechnen muss, dass ihr diesbezüglich auch widersprochen werden wird.
Völker und Gemeinschaften brauchen Schutz
Selbstverständlich wandeln sich Gesellschaften und Nationen, Völker und Sprachen. Kaum jemand würde und kann das realistisch betrachtet bezweifeln. Genauso wahr ist aber auch, dass Völker und Nationen, die ihre kulturellen Eigenheiten nicht schützen, auf Dauer untergehen. Ortrun Lenz plädiert in einem ihrer Beiträge sogar – und zurecht – für den Schutz indigener Völker (s. o.), womit sie übrigens implizit anerkennt, dass es Völker „gibt“. Warum gesteht sie anderen Völkern etwas zu, was sie dem deutschen scheinbar nicht zugesteht? Nämlich: Den Schutz und die Bewahrung der eigenen Kultur vor einem Zuviel an von außen oder innen aufgezwungenem Wandel, vor einem Zuviel an Zuwanderung, vor einem Zuviel an Multikulturalität, das, wie auch in vielen anderen Ländern Europas sichtbar, zu sozialen Konflikten führt, die keinesfalls einseitig nur mit „Rechtsextremismus“ erklärt werden können. Sollte das, was wir etwa heute den amerikanischen Ureinwohnern – zurecht – zugestehen, nicht auch für Deutsche und für alle anderen Völker selbstverständlich gelten?
Gemeinschaft ist ein essenzieller Wert, sowohl aus politischer als auch aus religiöser Sicht. Gemeinschaft bedeutet aber auch zu wissen, wo diese Gemeinschaft endet, wo es Unterschiede gibt, wo es Differenzen gibt und geben muss, wo man die Tür öffnet, aber auch, wo man sie schließt, um das, was man hat, zu bewahren und nicht zu überlasten. Humanismus bedeutet in diesem Zusammenhang auch, jeder menschlichen Gemeinschaft das Recht zuzugestehen, sich auf ihre bestimmte, von ihr gewünschte Weise zu organisieren, ohne stets eine „Öffnung aller überall für alles“ erzwingen zu wollen. Denn das, eben genau das schafft politische und gesellschaftliche Gegen- und Protestbewegungen, die sich gegen derlei (oft auch von immer mehr abgehobenen Eliten) erzwungene Öffnungen wehren und irgendwann sagen: „Jetzt ist es genug.“
Derlei Protest, derlei Gegenbewegungen wird man weder durch Verbote noch durch Zensur begegnen können, auch dann nicht, wenn die Verbietenden und die Zensierenden sich selbst das Etikett der (vermeintlichen) Toleranz, der (vermeintlichen) Inklusivität oder der (vermeintlichen) Rationalität geben. Wer hingegen wirklich zusammenführen will, der führt einen Dialog – mit der Gegenseite, nicht über sie.
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