Sozial gerechte Verkehrswende

Wie sie gelingen kann

Der Begriff der Verkehrs- oder auch der Mobilitätswende ist in aller Munde. Grob kann sich jeder vorstellen, welcher Anlass sie begründet (Klimawandel) und welche Folgen sie langfristig – oder eben, aus Sicht ökologisch bewegter Menschen, mittelfristig – nach sich ziehen soll (Ende fossiler Energien und des Brennstoffmotors). Offenkundig wird aber immer wieder, dass sie erkennbaren Widerstand verursacht – und das nicht ohne legitimen Grund. Der legitime Grund liegt jedoch aus Sicht des Autors dieser Zeilen nicht darin, dass es den menschengemachten Klimawandel „nicht gäbe“ – dieser Minderheitenposition schließen wir uns an dieser Stelle ausdrücklich nicht an, da wir sie eher für eine psychologisch begründete, kognitive Dissonanzreduktion all jener halten, die damit vor sich selbst und anderen ihre fundamentale Ablehnung unbequemer Veränderungen rechtfertigen wollen (näheres dazu hier). Vielmehr ist etwas anderes naheliegend: Die bisherige Praxis der Umsetzung der Mobilitätswende, die auf das bloße Zurückdrängen des Autoverkehrs setzt, ist schlichtweg unsozial, da sie nicht die eigentlichen Klimasünder trifft, sondern „Otto Normalverbraucher“: Arbeitsnehmer, Mittelständler, Kleinunternehmer, Pendler – Menschen, die auf ihren motorisierten Individualverkehr schlichtweg angewiesen sind und derzeit auch kaum eine andere Chance haben, privat und beruflich in zuverlässiger und einigermaßen pünktlicher Weise mobil zu bleiben, weil ihnen keine ökologische Alternative angeboten wird.

Ur-Katastrophe Deutsche Bahn

Dass der eigentlich (!) klimagerechte Nah- und Fernverkehr der Deutschen Bahn eine Katastrophe ist, muss kaum noch jemandem erklärt werden. Der Autor dieser Zeilen erlebt auch dies als regelmäßiger Pendler (immerhin der Strecke Bielefeld – Berlin) andauernd am eigenen Leib. Dabei geht es auch längst nicht mehr um die Problematik der fehlenden Pünktlichkeit – wenn es nur das wäre, wäre man ja schon weniger unzufrieden. Fakt jedoch ist, dass man sich oft eben nicht einmal mehr darauf verlassen kann, dass der Zug, auf den man angewiesen ist, überhaupt kommt, oder aber dass er auch wirklich dort ankommt, wo er hin soll, und nicht irgendwo auf der Strecke aus diversen Gründen liegen bleibt, umgelenkt wird usw. Auch hier sind die Gründe bekannt: Bahnprivatisierung, langjähriges Kaputtsparen, marodes Schienennetz, fehlende Ausweichstrecken, Personalmangel. Hinzu kommen fehlende Barrierefreiheit, miserable Informationspolitik (Ausfälle, Änderungen etc. werden nicht oder viel zu kurzfristig angekündigt; darauf folgen kryptische Begründungen wie „Störung im Betriebsablauf“ oder „verspätete Bereitstellung des Zuges“, die faktisch nichts über Verantwortlichkeiten aussagen) und schlicht und einfach Inkompetenz an vielerlei Stellen. Dass ein solch miserables System nicht zum Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel einlädt, liegt auf der Hand. Die Konsequenz, dass anstatt des öffentlichen Fernverkehrs dann stattdessen das Verkehrsmittel Flugzeug genutzt wird, macht die Klimafolgen nochmal weitaus drastischer als der Umstieg aufs Auto.

Auch der öffentliche Nahverkehr ist längst nicht überall und für jeden eine nutzbare und sinnvolle Alternative: Auf dem Lande (das hier deutlich besser angebunden werden muss) sowieso nicht, aber auch in Städten leiden viele öffentliche Verkehrsbetriebe unter empfindlichem Personalmangel. Wer beruflich oder privat Gegenstände transportieren muss, wird kaum Bus oder Bahn nutzen. In vielen Städten sind Bus und Bahn in Teilen bis heute nicht barrierefrei – eine Problematik, die längst nicht nur Rollstuhlfahrer betrifft, sondern eben auch die vielen Senioren und Mütter mit Kinderwagen. Und auch angesichts der Sicherheitslage in Bus und Bahn an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten verzichten viele lieber auf deren Nutzung, insbesondere Frauen. Verübeln kann man es ihnen nicht. Übermäßig teure Taxis (ebenfalls oft nicht barrierefrei) sind für viele ebenfalls keine Alternative.

Die Frage der Prioritäten

Dass vor allem der Ausbau und die Modernisierung der Deutschen Bahn dringend und umfassend vorangetrieben muss, um im Fern- und im regionalen Nahverkehr eine Veränderung dieser Zustände herbeizuführen, ist vor diesem Hintergrund eine triviale Erkenntnis. Doch auch hier gilt es, die richtigen Prioritäten zu setzen: Am Beispiel etwa der Pläne der DB für neue Strecken im Raum Ostwestfalen-Lippe (NRW) zur Beschleunigung der Verbindung Bielefeld – Hannover kann man beispielhaft sehen, wie – erneut – falsche Prioritäten gesetzt werden. Im Zuge der Pläne müsste eine Trasse mitten durch ein Wohngebiet sowie durch einen Grünzug gelegt werden, den der Stadtrat eigentlich mehrheitlich schon seit längerem als Naturschutzgebiet ausweisen will – nur damit die Verbindung um ca. 20 Minuten beschleunigt wird. Allein dieses Beispiel macht bereits deutlich, in welch irre Richtung die Debatte erneut steuert: Anstatt sich erst einmal dem erreichbaren und zentralen Nahziel zu widmen – also Modernisierung des bestehenden Netzes, damit die Züge überhaupt wieder zuverlässig fahren und pünktlich sind! – wird ein Luxus-Fernziel angepeilt, im Zuge dessen Natur zerstört werden soll, um das Klima zu schützen. Planungen dieser Art zeigen, wie wichtig es ist, dass die Planer der Bahn immer wieder und ständig mit der Lebensrealität ihrer Fahrgäste – und auch der Anwohner – konfrontiert werden, damit die Planungen nicht (im zweideutigen Sinne) absurde Züge annehmen. Die Modernisierung des Netzes und dessen Ausbau sollten daher ständig auch durch aufmerksame kommunalpolitische Gremien und Verwaltungen, Bürgerinitiativen, Verbände, eventuell Diskussionsveranstaltungen vor Ort oder sogar Bürgerräte begleitet werden.

Beim Ausbau und der Neuanschaffung von Bahnen, egal ob im Fernverkehr oder im ÖPNV, muss die Barrierefreiheit endlich dauerhaft mitgedacht werden. Erfolgt dies nicht, verkehren entsprechende nicht-barrierefreie Bahnen erst einmal wieder über Jahrzehnte, was konkret bedeutet, dass ganze Generationen von Menschen mit Behinderung, Senioren und Müttern immer wieder in die Situation geraten, dass der motorisierte Individualverkehr die bessere und zuverlässigere Alternative bietet. Zugleich gilt: Bahn fahren muss für alle endlich bezahlbar werden. Wenn eine (wohlgemerkt langfristig geplante) – dazu notorisch unzuverlässige und hoch störanfällige – Bahnverbindung von NRW nach Berlin und zurück, bei der man daher einigermaßen flexibel bleiben muss (Stichwort Flex-Ticket), über 200 Euro kostet, ist dies sicherlich erst recht kein Verkehrsmittel, mit dem eine Masse an Menschen gerne mobil bleibt. Da hilft auch ein 49-Euro-Ticket im Nahverkehr nichts, wenn es bei längeren Strecken bedeutet, vier- oder fünfmal umsteigen zu müssen und dann in der Addition der verpassten Anschlusszüge für die Fahrt doppelt oder dreimal so lange gebraucht zu haben wie eigentlich laut Plan vorgesehen. Auch in Sozialleistungen muss sich diese veränderte Haltung niederschlagen: Regelsätze für Mobilität sollten erhöht werden – übrigens gerade dann, wenn das Ziel sozialstaatlicher Versorgung darin besteht, Menschen wieder in Arbeit oder andere gesellschaftlich sinnvolle Aktivitäten zu bringen. Denn all das setzt, sofern nicht gerade Heimarbeit möglich ist, eines voraus: Mobilität.

Digitalisierung und Sicherheit

Stichwort Home Office: In anderen Feldern der Verkehrswende kann auch Digitalisierung helfen. Durch Bereitstellung von Home-Office-Optionen können Dienstreisen und normale Anfahrtswege vermieden werden, ebenso durch die Digitalisierung etwa von Verwaltungsleistungen, die Menschen Behördengänge erspart. Ähnliches bezieht sich auch auf andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens: Wichtige Stichworte sind hier etwa Telemedizin oder lokale Knotenpunkte der Gesundheitsversorgung und des Einzelhandels, welche in der Stadtplanung stets mitbedacht werden sollten.

Das alles geht jedoch nicht ohne den Faktor Sicherheit: Es muss endlich wieder möglich sein, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln sicher von A nach B zu bewegen – ohne aggressive Drogenszenen an Bahnhöfen, ohne Belästigungen in Zügen, ohne das Risiko, wahlweise von Taschendieben, sexuell Perversen oder aggressiven Jugendbanden behelligt zu werden. Das bedeutet: Stets präsente Bundespolizei an Bahnhöfen, massive Verstärkung privater Sicherheitsdienste in Bussen und Bahnen, Ausbau der Videoüberwachung in Bussen, in Bahnen und an Haltestellen, gut sichtbar zwecks weitestgehender Abschreckung im Vorfeld. Das alles muss auch einhergehen mit restriktiver Migrationspolitik: Kriminelle Ausländer, die – statistisch nachweisbar – einen großen Anteil bei entsprechenden Tätergruppen ausmachen, müssen frühzeitig abgeschoben werden; kriminelle Inländer schnell die Härte des Gesetzesvollzugs zu spüren bekommen. Dies mag manchen im Kontext der Mobilitätsfrage zunächst themenfremd erscheinen, bildet hier aber einen wichtigen Faktor, denn es ist faktisch die fehlende Sicherheit, die viele Menschen von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abhält, und diese wiederum liegt auch in der katastrophalen Migrationspolitik insbesondere seit 2015 begründet. Dass dies nicht irgendeine abstrakte Theorie ist, sondern Realität, kann jeder selbst sehen, der öffentliche Verkehrsmittel regelmäßig nutzt. Hier liegt denn zugleich auch das Feld, in dem die politische Linke auf die politische Rechte wird zugehen müssen, welche diese Problematik bereits seit langem erkannt hat.

Doch auch die Rechte wird auf die Linke zugehen müssen: Eben beim Thema „ökologische Mobilität“, welche etwa auch den Ausbau des Radverkehrs und entsprechender Möglichkeiten beinhaltet. Plausibler wird dies, wenn man sich einmal klarmacht, dass der motorisierte Individualverkehr eben nicht nur klima-, sondern auch sonst umweltschädlich ist, damit also auch für jene Patrioten, die der Erkenntnis des menschengemachten Klimawandels skeptisch gegenüberstehen, zumindest Gegenstand eines kritischen Blicks sein sollte. Mehr Fuß- und mehr Radverkehr hingegen hält da, wo er möglich ist und aktiv betrieben wird, die Menschen fit und gesund, ganz ohne Verpestung der Luft und ganz ohne Lärm-Emissionen. Eine Tatsache, die Patrioten, die über egoistische „Aber ich will frei rasen können“-Affekte hinauszudenken imstande sind, zumindest nachdenklich machen sollte.

Die Transformation ist längst im Gange

Eines der Argumente, die gegen den Ausbau vor allem der öffentlichen Verkehrsmittel als Alternativen zu Auto und Flugzeug oft angebracht werden, ist das der Finanzen: Wo solle denn bitte das Geld für all das noch herkommen? Das Argument wird recht dünn, wenn man betrachtet, in was bisher alles Geld investiert wird - in den Bau von Fernstraßen etwa – oder wo auf Geld verzichtet wird oder wurde: Siehe etwa Steuerbefreiung von Kerosin, Besserstellung von Dieselkraftstoff etc. Instrumente wie Pendlerpauschale und Dienstwagenprivileg helfen zudem vor allem Besserverdienenden und könnten verhältnismäßig schnell und einfach sozial gerecht und ökologisch effektiv umgestaltet werden. 

Die Automobilindustrie selbst ist in dieser Frage teilweise schon weiter als jene, die sich noch immer massiv gegen den Wandel sperren: Der Weltmarkt zwingt sie geradezu in die Herstellung möglichst klimaneutraler Antriebe, weswegen die Transformation kaum noch aufzuhalten ist. Es ist daher angebracht, auch dem patriotischen Lager inzwischen die Frage zu stellen: Ist es sinnvoll, immer noch Don-Quichotte-mäßig Kämpfe gegen die Windmühlen (-räder?) auszufechten – oder sollte man sich stattdessen nicht lieber darauf konzentrieren, wie die ökologische Transformation auch sozial, d. h. im Sinne der Bedürfnisse der breiten Masse des Volkes, ausgestaltet werden kann?

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