Proteste in Russland: Ein Schelm, wer Böses denkt

Die USA tun wieder, was sie schon immer am besten konnten

Nord Stream 2, die Unterwasser-Ostsee-Gas-Pipeline, die künftig ein wesentliches Element der deutschen Energieversorgung bilden soll und dem russischen Gazprom-Konzern gehört, dessen Verwaltungsrat Altbundeskanzler Gerhard Schröder vorsitzt, befindet sich seit geraumer Zeit im Bau. Dies erregte schon seit langem den Unmut der USA, die nicht nur eifersüchtig und missgünstig auf das dadurch institutionalisierte wirtschaftliche Bündnis zwischen Deutschland und Russland schielen, sondern auch den Handel mit dem eigenen Fracking-Gas gefährdet sehen. Zugleich fühlen sich die engen und traditionell antirussischen US-Verbündeten Polen und Ukraine sowie die ähnlich gepolten Staaten des Baltikums ausgebootet. So betonte etwa Polen immer wieder, dass Russland durch Nord Stream 2 seine Gaslieferungen an es aussetzen könnte, ohne dass dies jene nach Deutschland beeinflussen würde. In Wirklichkeit dürfte es jedoch eher um die Transitzahlungen fürchten, die für die bisherige Leitung durch Polen aufgebracht werden müssen.

Schmutziges Fracking-Gas als Alternative?

Die USA ihrerseits fahren in der Frage bereits seit Jahren die volle Munition der geopolitischen Auseinandersetzung mit Ausnahme direkter militärischer Interventionen auf: Sanktionsdrohungen gegen alle, die sich an dem Handel mit Russland beteiligen, massive ökonomische Drohungen, die sogar die Empörung der eigentlich transatlantisch ausgerichteten Regierungsfraktionen erregten, welche das Projekt aber lobenswerterweise noch im Großen und Ganzen unterstützen – neben AfD und Linkspartei. Zu unverschämt waren die Einmischungsversuche der – noch – größten militärischen und wirtschaftlichen Supermacht; zu ökologisch unverantwortlich die schmutzige, regelrecht gefährliche Option US-amerikanischen Fracking-Gases. Und daher: Zu wenig überzeugend das Argument, der Gas-Deal sei aus Klimaschutz-Gesichtspunkten zu unökologisch – nicht, wenn die Alternative im Fracking besteht. Eine Technologie, die jeder wirklich konservativ und dadurch auch ökologisch eingestellte politische Akteur nur ablehnen kann.

Wie es sich für die Supermacht des Liberalismus gehörte, mussten also neben diesen allzu offenkundig ökonomisch-egoistischen Argumenten moralistische her, wie es die USA immer schon praktizierten, wenn nur noch die ihnen ureigene außenpolitische Doppelmoral in der Diplomatie weiterhalf. Die Eingliederung der Krim im Jahre 2014, mit der Russland auf die stetige, als imperialistisch-hegemonial angesehene Ausbreitung der NATO seit Ende des Kalten Krieges reagiert hatte, galt den USA seitdem als Vorwand für eine massive Sanktionspolitik – eine Politik, die man etwa bei völkerrechtswidrigen Angriffskriegen der USA in den Jahren und Jahrzehnten zuvor seitens der sogenannten „freien Welt“ vergebens gesucht hat.

Der Fall Nawalny

Dann schließlich, als die deutsche Bundesregierung immer noch nicht einlenkte (durchaus korrekt erkennend, dass im Falle eines deutschen Rückzugs aus dem Projekt Russland einfach allein damit weitermachen würde und könnte): Der Fall Nawalny. Auf den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny wurde im August 2020 ein Nervengift-Anschlag verübt. Der vermeintliche Schuldige war erstaunlich schnell gefunden: Natürlich stecke der russische Geheimdienst FSB und damit letztlich die Putin-Regierung dahinter.

Jeder halbwegs intelligente und kritische politische Beobachter, der bei Vorfällen dieser Art zunächst einmal mit der einzig vernünftigen Frage „Wem nutzt es?“ reagiert und nicht blind der nachweislich transatlantisch gepolten deutschen Lügen- und Lückenpresse hinterläuft, gerät hier ins Stutzen: Was hätte Russland durch eine derart plumpe Reaktion zu gewinnen? Jeder sozialwissenschaftlich vorgebildete Regierungsberater, von denen es auch in der russischen Administration genug gibt, kennt die Gefahr der Schaffung von Märtyrern, wie sie durch derartige Aktionen irgendwann – vielleicht nicht sofort, aber mittel- oder langfristig, etwa im Zuge einer ökonomischen Krise – eintreten könnte. Gerade auch in der ohnehin schon aufgeheizten Atmosphäre infolge der Krim-Krise und der darauffolgenden Sanktionen hätte das Interesse der nicht fanatisch, sondern immer sehr kühl und strategisch kalkulierenden Putin-Regierung eher in einer stetigen Deeskalation liegen müssen, nicht aber in einer aufgeheizten Stimmung aufgrund eines Giftanschlags auf einen teilweise nicht unpopulären oppositionellen Politiker.

Bekräftigt wird diese Argumentation durch eine Reaktion von Putin selbst, der im Oktober 2020 beklagt hatte, dass Deutschland im Nachgang weder biologisches Material noch offizielle Gutachten zu der Frage vorgelegt hatte. Zudem bot er zum wiederholten Mal eine gemeinsame, internationale Untersuchung dazu an – eine Offerte, die sich im Falle einer wirklichen Beteiligung russischer Behörden für diese als zutiefst nachteilig hätte herausstellen können. Auch die Authentizität des später von Nawalny effektheischend für ein YouTube-Video angerufenen, angeblichen FSB-Agenten Konstantin Kudrjawzew, der in dem Telefonat angeblich den Anschlag für den FSB zugegeben habe, konnte bis heute nicht bestätigt werden. Faktoren, die eine US-amerikanische „False-Flag“-Aktion weitaus wahrscheinlicher machen als einen russischen Anschlag.

Die Mär von den „unabhängigen Medien“

All dies: Rationale Gegenargumente, die in der transatlantisch geschulten deutschen Mainstream-Medienlandschaft freilich verpufften wie eine Seifenblase, da nicht herauskommen darf, was nicht herauskommen soll. „Recherchen“ des SPIEGEL und des Netzwerkes Bellingcat wollen angeblich belegen, dass der Anschlag von FSB-Agenten verübt worden sei. Nun gibt der SPIEGEL ganz offen zu, dass die Bill & Melinda Gates Foundation eines seiner internationalen Berichterstattungsprojekte mit insgesamt 2,3 Millionen Euro unterstützt hat. Das britische „Recherchenetzwerk“ Bellingcat wiederum wird gefördert von der linksliberalen Open Society Foundation des berühmt-berüchtigten Milliardärs George Soros. Der ehemalige CIA-Vize-Einsatzleiter für Europa und Eurasien, Marc Polymeropoulos, äußerte sich Ende 2020 in einem Artikel über Bellingcat wie folgt: „Ich will nicht zu dramatisch sein, aber wir lieben das, anstatt zu versuchen, Dinge klären zu lassen oder sich um Klassifizierungsfragen zu kümmern, kann man einfach auf ihre Arbeit verweisen.“

Fassen wir zusammen: Zwei Massenmedien, die von transatlantischen, den antirussischen US-Demokraten nahestehenden Stiftungen gefördert werden, von denen eines das Objekt eines regelrechten öffentlichen Schwärmens eines für genau jene Region zuständigen, einflussreichen US-Geheimdienstlers ist, kommen binnen kürzester Zeit ganz überraschenderweise in der Folge eines Giftanschlags auf politisch zutiefst genehme Ergebnisse, die dann wenig später, nach der Festnahme Nawalnys aufgrund des Verstoßes gegen Bewährungsauflagen, in massiven Protesten in Russland münden, gegen die die Kapitol-Stürmung durch Trump-Anhänger wie eine Abi-Party aussah und die direkt auf eine Absetzung der russischen Regierung abzielen, aber von der liberalen westlichen Presse unkritisch bejubelt werden. Dem russischen Staat wird massive Polizeigewalt vorgeworfen; Transatlantiker in Europa und US-Politiker nutzen die Lage sekundenschnell aus, um, natürlich gänzlich moralisch empört, eine Einstellung des Nord-Stream-2-Projektes zu fordern.

Jeder, der weiß und noch in Erinnerung hat, mit welchen Mitteln US-Regierungen und US-Dienste traditionell vorgehen, um ihre energiepolitischen Interessen zu verfolgen (nämlich bis hin zu kriegsauslösenden, direkten Lügen vor der UN etwa über Massenvernichtungswaffen in Saddam Husseins Irak), der kann in dieser Sache nur mit tiefster Skepsis reagieren. Ebenso auch deswegen, da es traditionell zu den außenpolitischen „Skills“ der USA gehört, über das Prinzip „Divide et impera“ („Teile und herrsche“) Hegemonialpolitik zu betreiben. Die Destabilisierung des Nahen Ostens ist ebenso eine Folge dieser hemmungslosen Machtpolitik wie auch die jüngsten Demonstrationen auf die Festnahme Nawalnys nach dessen Rückkehr hin und besonders die dortigen Eskalationen die Ergebnisse der Arbeit gezielter, geheimdienstlich entsandter Provokateure sein könnten.

Mächtige Netzwerke

In der Macht und im Interesse der US-amerikanischen Dienste und ihrer Verbündeten lägen derlei Aktionen zweifelsohne – übrigens ganz egal, wie der jeweilige, ihnen vorstehende Präsident hieß oder heißt. Spätestens seit dem von Grund auf gestörten Verhältnis zwischen Donald Trump einerseits und FBI, CIA etc. andererseits wissen wir, dass – im Sinne des Begriffes des „tiefen Staates“ – die US-Dienste seit jeher schon eine mächtige Eigendynamik herausgebildet haben, die derlei Aktionen so oder so begünstigt. Obwohl zugleich immer zu bedenken ist, dass auch der Großteil der demokratischen wie der republikanischen Politik-Elite hier nicht sonderlich anders denkt. 

Auch die sogar recht offensichtlichen organisationalen und finanziellen Verquickungen zwischen Regierungen bzw. Geheimdiensten, globalistischen Stiftungen und angeblich ach so „investigativen“ Medien erlauben hier relativ eindeutige Schlussfolgerungen. Gerade konservative politische Kräfte in Deutschland wie übrigens auch in Russland sollten jetzt nicht müde werden, auf diese unheilvollen Netzwerke kontinuierlich hinzuweisen; auch, um gemeinsam sicherzustellen, dass Deutschland nicht abermals aufgrund westlich-amerikanischer und polnisch-baltisch-ukrainischer Interessenlagen von einer eigenen, souveränen Interessenpolitik abgebracht wird und seine Energieversorgung sicherstellen kann.

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