#Hinsetzen?

Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung war – das muss man ihr lassen – hoffnungsvoll gestartet. Das Medienecho war enorm, der (auch prominente) Unterstützerkreis groß und die Reaktionen in den sozialen Netzwerken laut und vielfältig. Auch an dieser Stelle verband der Autor dieser Zeilen vor einigen Wochen Hoffnungen mit Blick auf die Bewegung, und sei es auch nur als sozialpolitisches Korrektiv für die AfD. Doch schon wenige Wochen später folgte die Ernüchterung: Lediglich ca. 600 Teilnehmer waren bei der zentralen Kundgebung am Brandenburger Tor anwesend; manche Quellen sprechen von noch weniger. Angesichts der medialen Reaktionen zuvor, angesichts der ehrgeizigen inhaltlichen Zielsetzung der Bewegung ein mageres Ergebnis. #Aufstehen scheint maximal als politisches Strohfeuer in die bundesdeutsche Geschichte einzugehen. Doch woran liegt das?

Intransparenz und fehlende Basisdemokratie

Schwerlich kann man Sahra Wagenknecht selbst die Schuld für die Entwicklung „ihrer“ Sammlungsbewegung zuweisen: Die – bisherige – Fraktionschefin der Linken macht ihrem Image als Freigeist mit Rückgrat weiterhin Ehre, wenn man etwa ihre kritische Haltung zum Migrationspakt und zu den „linksliberal-moralisch geprägten Wohlfühlveranstaltungen“, wie der Cicero die #Unteilbar-Kampagne treffend bezeichnete, bedenkt. Was für ein für ihre politische Karriere riskantes Spiel sie mit dieser klaren Haltung spielt, machten jüngst die Schlagzeilen über einen angestrebten Sturz Wagenknechts als Fraktionsvorsitzende deutlich, den die globalistischen Linken in ihrer Fraktion scheinbar vorantreiben.

Tatsächlich muss man die Ursachen für den Absturz von #Aufstehen wohl eher an den Basisgruppen und im „Apparat“ der Bewegung suchen, in denen sich Dynamiken abspielen, die Wagenknecht scheinbar nicht unter Kontrolle hat, die aber mit Basisdemokratie, wie sie für (erfolgreiche) soziale Bewegungen eigentlich kennzeichnend sind, auch nichts mehr zu tun haben. So berichtet das linksnationale Magazin „Rote Fahne“, welches sich ursprünglich mit #Aufstehen solidarisch erklärt und sogar (u. a. auf Facebook) eine eigene, recht starke Teilgruppe der Bewegung gegründet und beigesteuert hat, in einem Artikel von nicht namentlich unterschriebenen E-Mails eines nicht näher definierten „Aufstehen-Teams“, in denen die Rote-Fahne-Gruppe (RFG) u. a. aufgefordert wird, nicht mehr an Veranstaltungen, Kundgebungen oder Demonstrationen von #Aufstehen teilzunehmen (die Antwortstellungnahme der RFG lässt sich ebenfalls dem besagten Artikel entnehmen).

Hier erleben wir, einmal soziologisch betrachtet, einen Kardinalfehler, der einer sozialen Bewegung nicht passieren sollte: Die Bürokratisierung einer angeblich basisdemokratischen Bewegung bei gleichzeitiger, völliger Intransparenz, im Rahmen derer eine namenlose Gruppe von Leuten zu definieren versucht, wer mitmachen darf und wer nicht – wohlgemerkt ohne eine formale Grundlage, wie sie Parteien haben und die Ausschlussverfahren und ähnliches legitimieren kann. Einen größeren methodischen und politischen Fehler kann man kaum machen – als Partei nicht, aber als soziale Bewegung mit basisdemokratischem Anspruch erst recht nicht. Denn die Gegenfragen, die auch die RFG nun zu Recht stellt, liegen ja nahe: „Wer sind Sie überhaupt, dass Sie über so etwas bestimmen können? Für wen sprechen Sie eigentlich? Und wer hat Sie dazu ermächtigt?“

Eine Kopie der Linkspartei?

Wer bereits nach wenigen Wochen ohne Not und scheinbar rein aufgrund von inhaltlichen Meinungsverschiedenheiten derart restriktiv und ausgrenzend vorgeht, muss sich fürwahr nicht wundern, wenn das Vertrauen in die Bewegung schlagartig nachlässt. Hinzu kommen spürbar globalistische Akzente bei vielen Basisgruppen, die zuweilen – anders als Wagenknecht – dem Migrationspakt positiv gegenüber stehen oder sich an den #Unteilbar-Veranstaltungen beteiligen wollen.

Man braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, was hier geschehen sein könnte: In nicht seltenen Fällen dürften globalistische Linke aus Linkspartei und eventuell auch SPD und Grünen örtliche Basisgruppen und den namenlosen, E-Mails versendenden „Apparat“ der sich bürokratisierenden Bewegung geentert haben und dort nun, vorbei an den ursprünglich sinnvollen Zielen von #Aufstehen, ihre eigene Politik betreiben, was dann letztendlich in dem mündet, was wir längst haben – in Form der Partei Die Linke, in der antideutsche und antiimperialistische bzw. pro-nationalstaatliche Gruppierungen sich teils bis auf’s Messer bekämpfen (man erinnere sich hier an den Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht, der aus genau einer solchen Konfliktlinie resultierte).

Eine Entwicklung, mit der sich auch etwaige Pläne, aus #Aufstehen eine Partei zu machen (so es sie denn gibt oder gab), erledigt haben sollten: Eine direkte Kopie der Linkspartei, mit den gleichen Grabenkämpfen und denselben Akteuren an denselben Stellen, eine weitere politische Organisation, die dem globalistisch-linksliberalen Grundkonsens von #Unteilbar folgt und den von linksliberalen, antideutschen und turbokapitalistischen Interessen geprägten Migrationspakt befürwortet, braucht nun wirklich niemand. Und auch abseits davon sollten Lafontaine und Wagenknecht spätestens in Folge der dünn besuchten zentralen Kundgebung in Berlin verstanden haben, dass sie hier auf ein falsches Pferd setzen würden. Ein Fall, aus dem heraus auch abermals deutlich wird, dass Deutsche, die den Migrationspakt ablehnen, nur bei der AfD eine zuverlässige politische Heimat finden werden.
 
Ausblick

Doch wie geht es nun weiter? Im Januar dürfte in der Linkspartei die Zukunft von Sahra Wagenknecht entschieden werden, im Rahmen einer Fraktionsklausur. Hierbei scheint es nicht unwahrscheinlich, dass sich der moderate Reformist Dietmar Bartsch, Wagenknechts Amtskollege vom gegnerischen Parteiflügel, gegen ihren Sturz einsetzen wird, in dem Wissen, dass ihm, falls die im Volke populärste und in den Medien intellektuell wie rhetorisch vorzeigbarste Vertreterin der Linken abgesetzt wird, seine Partei metaphorisch gesprochen um die Ohren fliegen würde. Die Spaltung der Partei wäre nicht fern, was wiederum bedeuten könnte, dass am Ende kein Vertreter der beiden Seiten mehr im Bundestag säße. Es bräuchte eine ganze Menge politisch-strategischer Dummheit, um eine solche Entwicklung zu forcieren.

Aus der bisherigen Entwicklung von #Aufstehen lassen sich indes mehrere soziologische Lehren ziehen. So lässt sich beispielsweise durchaus vermuten, dass #Aufstehen in Zeiten, in denen es einen konkreten Aufhänger für massenhaften, friedens- und / oder sozialpolitischen Protest gegeben hätte, deutlich erfolgreicher wäre – etwa zu Zeiten des US-Irakkriegs um 2003 herum oder während der Verabschiedung der Hartz-Reform, die ein Jahr später in massenhaften Montagsdemos und der Gründung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mündete, die später mit der damaligen PDS zur Partei Die Linke fusionierte.

Ein aktuelles Beispiel für diese soziale Dynamik bietet der Hambacher Forst: Man darf wohl unterstellen, dass ein nicht geringer Anteil der deutschen Bevölkerung den Schutz der Bäume und Wälder bejaht, ebenso wie auch so mancher die Nutzung von Kohleenergie ablehnt. Und dennoch brauchte es den konkreten Fall des Hambacher Forsts, um Massen und Aktivisten zu mobilisieren. Es braucht die direkte Visualisierung, die Medienschlagzeile, den Aufreger in Bild und Ton, um die Massen auf die Straße zu locken. Wo dies fehlt, fehlt es auch an Aktivisten – übrig bleibt schließlich am Ende nur ein intransparenter Apparat, eine graue Bürokratie mit Mitarbeitern statt Aktivisten, mit anonymen, hauptamtlichen, E-Mails versendenden „Teams“ in fernen Büros statt offen auftretenden, leidenschaftlich diskutierenden und protestierenden Gruppen auf der Straße; mit Leuten, die ohne Legitimation darüber entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht, was die zulässigen Inhalte unter dem „Label“ sind und was nicht. Unnötig zu erwähnen, dass sich große Mobilisierung und gesellschaftsverändernde Dynamiken auf eine solche Weise nicht erreichen lassen.


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