Positionspapier: Nationale Souveränität statt „westlichem“ Blockdenken

Thesen zur außen- und sicherheitspolitischen Ausrichtung der AfD


1.    Prämisse

Kernposition und -forderung der AfD muss es sein, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und den Grundsatz nationalstaatlicher Souveränität (wieder) zum grundlegenden Prinzip der deutschen Außenpolitik zu machen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass wir uns gegen jede Politik stellen, die versucht, all dies zu untergraben. Das wiederum tun wir bisher aber noch nicht konsequent genug – unsere Haltung zur EU, zum Euro und zur Bankenrettung ausgenommen, welche hier aus diesem Grunde nicht noch einmal thematisiert wird.


2.    Haltung zur NATO

Die AfD lehnt – völlig zu Recht – die Schaffung einer europäischen Armee ab, da dies die Kernhoheit der europäischen Staaten und damit deren Selbstbestimmung vollends untergraben würde: Staaten, die über kein eigenes Militär mehr verfügen bzw. nicht mehr selbst über dieses bestimmen können, sind nicht souverän.

Nun wird aber von Teilen der AfD diese wichtige und richtige Position zum Anlass genommen, eine befürwortende Haltung zur NATO zu vertreten. Diese „verteidige Europa“. Zugleich wird vertreten, gute Beziehungen zu den USA seien „von existenzieller Bedeutung“.

Diese Position speist sich aus althergebrachten Mythen des Kalten Krieges, nach denen die Bundesrepublik quasi immer das Objekt US-amerikanischer Großherzigkeit gewesen sei, das die USA in einem jahrzehntewährenden, selbstlosen Akt vor einer Invasion der Russen geschützt hätten. Ein Mythos, der heute noch fleißig vom Springer-Konzern und zahlreichen anderen „transatlantisch“ eingestellten deutschen Massenmedien wie auch von Politikern der Altparteien gehegt und gepflegt wird: Die USA sind demnach nie nur die USA, sondern stets „unsere amerikanischen Freunde“.

Wer die internationalen Beziehungen einem realistischen Blick unterzieht, weiß jedoch, dass es in diesen keine „Freunde“ gibt, sondern lediglich Interessen. Die Supermacht USA betreibt spätestens seit Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts globale Geopolitik – die Bundesrepublik diente in diesem Rahmen während des Kalten Krieges als ihr Vorposten, der aber im Atomkriegsfall das erste Gebiet gewesen wäre, das sich in eine radioaktive Wüste verwandelt hätte. Und in diesen Kontext ist auch die NATO zu rücken: Selbstverständlich diente und dient diese niemals primär dem „Schutz Europas“, sondern der militärischen Flankierung der globalen Interessenpolitik der USA, welche sich bei der Führung dieser niemals das Zepter aus der Hand nehmen lassen würden – und wenn die Bundesrepublik oder andere Mitgliedsstaaten noch so sehr ihren Rüstungsetat erhöhen.

Einfluss in der NATO hat, wer möglichst viele logistische, technische und menschliche Ressourcen für „westliche“, d. h. US-amerikanisch intendierte Interventionskriege hergibt: Am Ende reduziert es sich stets auf US-Interessenpolitik. Auch das deutsch-russische Verhältnis, zu dem die AfD ja eigentlich eine klare und begrüßenswerte Positionierung hat, hat in den letzten Jahren dank der Einmischung unserer „amerikanischen Freunde“ sowie der Osterweiterung und der Präsenz der NATO an Orten, an denen sie als Bedrohung wahrgenommen wird, gelitten. Dem Schutz deutscher Interessen diente dies nicht für eine Sekunde – im Gegenteil! Die NATO und der US-Einfluss haben in den letzten Jahren stetig dazu beigetragen, die Kriegsgefahr in Europa wieder zu erhöhen.

Wer angesichts dieser Umstände äußert, Europa werde durch die NATO geschützt, macht sich zum Diener US-amerikanischer, nicht aber deutscher Interessen, und verfolgt damit eine Haltung, die Union und FDP sowie seit dem Tod Kurt Schumachers auch die SPD seit jeher vertreten haben. Für diese Art „deutscher Außenpolitik“ braucht es im deutschen Parteienspektrum keine AfD.

Nun werden sicherheitspolitische Pragmatiker womöglich mit der Frage kontern, welches Militärbündnis uns denn sonst schützen solle. Ein solches Argument läuft jedoch auf eine Haltung hinaus, die dem Merkel-Paradigma der Alternativlosigkeit des Bestehenden entspricht: Möglich ist das, was es gibt, und alles darüber hinaus gehende ist nicht denkbar, Punkt. Eine solche Haltung jedoch hätte wenig mit dem visionären Anspruch zu tun, den die AfD in anderen Politikfeldern durchaus mutig zu verfolgen imstande ist: Warum eigentlich nicht eine ganz neue Sicherheitsarchitektur schaffen wollen? Wir sind Oppositionspartei – was hindert uns daran, die Dinge einmal ganz neu zu denken? Was hindert uns daran, uns für eine endlich wieder handlungsfähige Bundeswehr und für ein ganz neues, eigenes europäisches Militärbündnis einzusetzen, das sowohl ohne US-amerikanische Großmachtpolitik als auch ohne EU-Superstaat auskommt? Antwort: Nichts!


3.    Haltung zu den USA

Der vorangegangene Abschnitt dieses Papiers hat bereits viele Fragen rund um das deutsch-amerikanische Verhältnis berührt. Es gilt jedoch noch einige Fragen zu thematisieren, die über den bloßen Problemkomplex NATO hinausgehen. So muss hier auch einmal grundlegende Bewertung der Rolle eingenommen werden, die die USA mit Blick auf für uns hochrelevante Thematiken spielen.

Für so manchen deutschen Konservativen ist es durchaus verlockend, in Zeiten eines US-Präsidenten Donald Trump wieder zum „Transatlantiker“ zu werden und sich für eine starke weltpolitische Rolle der USA einzusetzen. Scheinbar hat man ja mit dem Islamismus auch denselben Gegner, der – ganz im Sinne Samuel Huntingtons, also des Mannes, der seinerzeit den „Kampf der Kulturen“ prophezeit hatte – der „westlichen Kultur“ entgegensteht. Aus dieser Sichtweise sind Deutsche und Amerikaner dann sozusagen „im selben Verein“, auch wenn sie vielleicht unterschiedliche Methoden bevorzugen, mit dem Gegner umzugehen.

Nun steht diese unterkomplexe Sichtweise – „westliche Welt versus Islam“ – aber dem Grundgedanken der nationalen Souveränität und des Selbstbestimmungsrechts der Völker, wie ihn die AfD vertritt und wie ihn auch andere europäische Parteien wie die FPÖ oder der Front National vertreten, grundlegend entgegen. Der amerikanische Neokonservatismus, der die Republikanische Partei spätestens seit Reagan fest im Griff hat, ist der natürliche Gegner einer jeden nationalen Souveränität und eines jeden Selbstbestimmungsrechts der Völker. Vielmehr geht es diesem um Ausbreitung der US-amerikanischen (im Neusprech: „westlichen“) Einflusssphäre – am liebsten mittels (zur Not militärisch-interventionistischer) Demokratie-Verbreitung; zur Not mittels Unterstützung von Diktatoren oder gar terroristischen Gruppierungen.

Unumstößliche Tatsache ist: Ohne die dortige US-Intervention ab dem Jahre 2003 hätte es eine Destabilisierung des Irak, aus der heraus sich der Islamische Staat (IS) entwickelt hat, so nicht gegeben. Die ausgedehnten pseudostaatlichen Strukturen des IS rekrutieren sich in weiten Teilen aus arbeitslos gewordenen Funktionären und Beamten der zerschlagenen irakischen Baath-Partei Saddam Husseins; der Unmut, der zur flächendeckenden Radikalisierung von Irakern führte, ergab sich aus dem Irakkrieg der USA ab 2003 und dessen katastrophalen Folgen. Ähnlich in Syrien: Ohne fleißige US-amerikanische Unterstützung der dortigen (mehrheitlich islamistisch gesinnten) Rebellen ab dem „Arabischen Frühling“ 2011 gegen den legitimen Präsidenten des souveränen Nationalstaats (!) Syrien, Baschar al-Assad, wäre der dortige Bürgerkrieg vermutlich nicht in dieser Dimension ausgeartet. Auch ein Blick in die Geschichte ist stets lehrreich: So sind auch die afghanischen Taliban u. a. das Produkt einer US-amerikanischen Aufrüstung gegen die Sowjets in den 80er Jahren. Die Beispiele lassen sich lange fortführen.

Deutlich wird hierbei, wie relevant die hier thematisierten Fragen letztlich auch für die Kernpositionen der AfD sind: Denkt man die eingetretenen Folgen allein der oben beschriebenen Entwicklungen logisch weiter, so wird eben auch deutlich, dass die USA im Zuge ihrer Destabilisierungspolitik eine massive Mitverantwortung nicht nur für die Stärkung des islamistischen Terrorismus, sondern auch für eingetretene Flüchtlingswellen tragen – also direkt und indirekt mitverantwortlich sind für Entwicklungen, die wir als Partei doch eigentlich bekämpfen wollen.


4.    Haltung zum Freihandel

Dies gilt umso mehr, als dass die USA und zahlreiche ihrer „zivilgesellschaftlichen“ Akteure (man denke hier etwa an einflussreiche Köpfe wie George Soros) ein lebendiges Interesse an der Auflösung von Grenzen und nationalstaatlicher Souveränität auch in Europa haben. Denn schließlich ist es der Nationalstaat, der gewährleistet, dass es einen Sozialstaat gibt, dass den Nutznießern eines globalisierten Raubtierkapitalismus Einhalt geboten wird. Aus Sicht globaler Konzerne, deren Interessen ein Trump letztlich kaum weniger vertritt als seine Vorgänger, sind sozialstaatliche Errungenschaften keine guten „Standortfaktoren“, wohingegen offene Grenzen den Zuzug von billigem Humankapital und damit wirtschaftlichen Profit ermöglichen.

Wenn sich nun also Teile der AfD allen Ernstes für „Freihandel und offene Märkte“ und gegen „Protektionismus“ einsetzen – also eins zu eins FDP-Programmatik vertreten – dann ist das letztlich das direkte Gegenstück zu einer jeden nationalen Interessenpolitik. Vielmehr bedeutet dies die gezielte Befürwortung der Aushebelung national- und sozialstaatlicher Errungenschaften – und übrigens eine Positionierung, die nicht einmal ein Donald Trump (den man wirklich schwerlich als Sozialisten bezeichnen kann) vertritt. Wenn die AfD sich nicht vollends unglaubwürdig machen will, sollte sie von einem derart globalistisch anmutenden Ziel einer Entmündigung des Nationalstaats auf ökonomischem Wege dringend absehen!


5.    Konklusion

Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen dem „westlichem Blockdenken“ einerseits, welches in den US-amerikanischen Parteien sowie in den bürgerlichen Parteien der Bundesrepublik und bei SPD und Grünen verfolgt wird, und dem Ziel der Bewahrung nationaler Souveränität und des Selbstbestimmungsrechts der Völker andererseits. Auch wenn man manchmal denselben Gegner zu haben scheint (Stichwort Islamismus), so ist doch die weltanschauliche Ursache für diese Gegnerschaft eine ganz grundlegend andere, ebenso wie der Umgang damit ein anderer ist.

Die AfD wird sich entscheiden müssen, was sie will: Ein deutsches NATO-Anhängsel der Supermacht USA, die weltweit Kriege führt, Länder destabilisiert und Globalisierung, Turbokapitalismus, freie Migration und offene Grenzen forciert – oder eine souveräne deutsche Nation, einen funktionierenden deutschen Sozialstaat und ein selbstbestimmtes deutsches Volk, das in Frieden mit anderen Völkern lebt und sich nicht an Kriegseinsätzen beteiligt, die nur den geostrategischen und ökonomischen Interessen anderer Staaten dienen.


Bielefeld, 30.06.2018

Florian Sander

Mitglied des LFA Außen- und Sicherheitspolitik der AfD NRW 
Mitglied der Landesprogrammkommission der AfD NRW

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