Jordan Bardella – Der Aufsteiger aus der Banlieue

Das mediale Establishment kann einem leidtun. Wenn es darum geht, über den erst 23-jährigen Spitzenkandidaten der französischen Rechtspartei Rassemblement National (RN) – ehemals Front National (FN) – zu berichten, spürt man zwischen den Zeilen die Irritation bis Frustration darüber, es hier nicht mit einem Klischee-Rechten zu tun zu haben, der dem politisch korrekten Hobbypolitiker am Redaktionsschreibtisch genug Angriffspunkte bietet, um ihn bequem kaputtschreiben zu können. Jordan Bardella ist nämlich nicht nur nicht unsympathisch und politisch aufgrund seines Alters ein bisher eher unbeschriebenes Blatt, sondern hat auch einen Migrationshintergrund – und ist in einem französischen Ghetto aufgewachsen, in einer der berüchtigten Banlieues. Und hat es von dort bis an die Spitze der französischen Politik geschafft.

Aufwachsen im „Neun-Drei“

Die Gemeinde Drancy liegt im Nordosten von Paris und umfasst etwas über 70.000 Einwohner. Sie liegt im Département Seine-Saint-Denis, das die Ordnungsnummer 93 trägt und von seinen Bewohnern auch gern als „le neuf-trois“ („das Neun-Drei“) bezeichnet wird. Das Département ist, neben zwei anderen, an die es grenzt, für seine Banlieues berühmt-berüchtigt, für die ghettoisierten Vorstädte von Paris. In Seine-Saint-Denis fanden 2005 auch die international beachteten Krawalle jugendlicher Migranten (zumeist mit muslimischem Hintergrund) statt, die sich von Sachbeschädigungen hin zu Brandstiftungen und nackter Gewalt ausweiteten und teilweise bürgerkriegsartige Züge entwickelten. Der damalige französische Innenminister Nicolas Sarkozy sprach zu jener Zeit von „Gesindel“ und „Abschaum“ und davon, die Unruhestifter „wegkärchern“ zu müssen. Marine Le Pen (FN) forderte die Verhängung des Ausnahmezustandes und den Einsatz der Armee in den betroffenen Gebieten.

Der junge Jordan war damals noch ein Kind, wuchs aber – als Kind einer italienischen Einwandererfamilie – ebenfalls in einer Banlieue auf und wurde von den Umständen seiner Sozialisation nachhaltig geprägt. Man kann sich sicher sein: Er hat, ganz anders als so manche Politiker sowohl des französischen als auch des deutschen Establishments, die Realität der multikulturellen Gesellschaft und der Islamisierung, der Gewalt und der Drogenkriminalität direkt und jahrelang live beobachten können. Und wie so häufig gerade bei kritisch denkenden inner-europäischen Zuwanderern der Fall, ist bei ihm der Realismus gegenüber derlei Zuständen besonders ausgeprägt. Unverdorben durch medial und politisch anerzogene Political Correctness und geprägt durch eigenes Erleben beschließt er mit 16 Jahren, im Jahre 2011, dem FN beizutreten – und erlebt dort einen schnellen Aufstieg! 2015 wird er durch die Terroranschläge in Paris endgültig politisiert – und nimmt sich vor, etwas gegen die Ursachen zu unternehmen.

Rasanter Aufstieg

Der 23-jährige hat sich nicht nur politisch hochgearbeitet: Er besucht, trotz seiner sozialen Herkunft, eine katholische Privatschule, und lernt über das Praktizieren der japanischen Kampfsportart Aikido, wie man Herausforderungen mit Geduld und Disziplin meistert. Er schließt die Schule mit Erfolg ab und nimmt, an sozialen Fragen interessiert, ein Geografie-Studium in Angriff – an der hoch renommierten Sorbonne-Universität in Paris. Eine Laufbahn, die beweist, was man als Migrant in Frankreich schaffen kann, wenn man sich nicht aufgibt, sich in Disziplin übt und sich der Integration nicht verweigert. Jordan Bardella macht das, was er von anderen jungen Migranten in Frankreich ebenso erwartet, was aber trotzdem, gerade in Orten wie dem seiner Kindheit und Jugend, immer noch Mangelware ist.

Beim FN weiß man seine Fähigkeiten schnell zu schätzen: Mit 19 macht der FN ihn zum zuständigen Sekretär für Seine-Saint-Denis; mit 20 wird er in den Regionalrat gewählt. Seit 2018 leitet er die Génération Nation, die Jugendorganisation des RN. RN-Spitzenkandidat zur Europawahl wird er im Januar dieses Jahres – auf Geheiß von Marine Le Pen. Eine Konstellation, die ihm derzeit medial immer wieder angekreidet wird: Eine „Marionette“ sei er, eine jugendliche Vorzeigefigur, eine politische Puppe, die Marine Le Pens Wünsche quasi unkritisch abnicke, wenig eigenes Profil habe, der übermächtigen Parteichefin nicht widerspreche.

Wer die etablierten Medien kennt – und hier unterscheiden sich die französischen oder andere etablierte europäische Medien nicht allzu sehr von den deutschen –, ahnt bereits, welcher eigenen politischen Motivlage diese Kritik entspringt. Doch genau hierin zeigt sie sich eben, die Frustration über die fehlende Angreifbarkeit des jungen Kandidaten: Hat man nichts, was man monieren kann, kritisiert man die „Profillosigkeit“, die „Aalglätte“, die fehlende Rebellion. Wäre Jordan Bardella dagegen ein junger Rebell, radikaler und lauter als die Parteichefin, würden wir inzwischen längst panische Warnungen vor einem aggressiven Extremisten lesen, der „Europa“ auf den Kopf stellen werde und dessen Antritt zur Wahl man am besten gesetzlich verbieten müsste. Zu dumm, dass eine solche Verleumdungsstrategie bei dem gebildeten, gutaussehenden jungen Aufsteiger mit der Silberzunge, dem anständigen Erscheinungsbild und der authentischen, beeindruckenden Biografie nicht funktioniert. Somit muss zu anderen Mitteln gegriffen werden.

Ein sozialpatriotischer Europäer

Die Presse wird ihn dennoch kaum aufhalten können. Der Jungpolitiker ist nicht nur unermüdlich aktiv und viel im Lande unterwegs, sondern auch in Europa gut vernetzt, u. a. mit dem charismatischen italienischen Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Matteo Salvini von der dortigen Rechtspartei Lega Nord. Ein weiteres Beispiel, das aufzeigt, dass eine patriotische Haltung alles andere als „anti-europäisch“ ist: Wie auch die AfD, wie auch vor Jahrzehnten schon Charles de Gaulle, fordern Jordan und der RN ein „Europa der Vaterländer“, ein Europa der Nationen, ein Europa der souveränen Nationalstaaten, die einander selbstbestimmt, aber respektvoll und durchaus in enger Kooperation in vielen politischen Feldern begegnen. Die Propaganda der Brüsseler Eurokratie, die fälschlicherweise die EU als Synonym für Europa versteht bzw. versucht dies zu suggerieren, wird diese Forderung nicht verklären können. Vielmehr wird durch diese Position eine neue, jugendliche pro-europäische Haltung deutlich; eine Haltung, die die europäische Vielfalt respektiert, so wie sie ist.

Dies gilt umso mehr, als dass Jordan und der RN eine Einsicht beherzigen, die bei der deutschen AfD oder der österreichischen FPÖ leider noch nicht in dieser umfassenden Weise angekommen ist: Dass eine patriotische Kraft sich nur dann im Volke verankern kann, wenn sie auch soziale Probleme anspricht und thematisiert – in einer Weise, die nicht durch elitäres, neoliberales Denken geprägt ist, sondern durch Volksnähe, durch Nähe zum Arbeiter und zum Arbeitnehmer, zum Arbeitslosen, zum ökonomisch Benachteiligten. Durch Nähe zu der Gruppe also, die quer durch Europa seit langem mit gutem Grund den Eindruck hat, ihre Heimatstaaten würden das Wohl von Migranten stärker gewichten als das der eigenen Bevölkerung.

Ein Vorbild für andere Patrioten Europas 

Nicht umsonst solidarisieren sich Jordan Bardella und der RN daher mit der Gelbwesten-Bewegung, die gegen die neoliberale, reaktionäre Politik Macrons und der Eliten rebelliert. Nicht umsonst ergreifen sie das Wort nicht nur gegen die EU-Bürokratie und deren Bevormundung der Nationalstaaten, sondern auch gegen Freihandel und allerlei Auswüchse des globalisierten Raubtier-Kapitalismus, der offene Grenzen weltweit zu forcieren versucht, um vom freien Verkehr sowohl von Kapital als auch von potenziellen Billiglohn-Arbeitskräften profitieren zu können. Jordan Bardella und der RN haben diese Zusammenhänge verstanden. Ein politisches Vorbild, von dem viele noch etwas lernen können – nicht nur jene, die bislang dem linksliberalen Globalismus auf den Leim gehen, sondern auch Patrioten im übrigen Europa.

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