Über den Sinn von Krankheit und Tod

Unitarismus als Wertschätzung der Differenz

Krankheit und Tod sind in diesen Tagen wieder Themen, die Menschen in Deutschland, in Europa und auf der ganzen Welt beschäftigen. Sicherlich handelt es sich hierbei um Problematiken, die ohnehin immer mal wieder in unser Leben treten: Wenn Angehörige oder Freunde krank werden oder gar sterben oder auch, wenn es uns selbst betrifft. In Zeiten eines neuen, global auftretenden und – wenn auch medial und politisch geschürt – angstmachenden Virus, der in manchen Fällen auch zum Tod führen kann, ist aber eine noch weitaus stärkere allgemeine Beschäftigung mit den besagten Themen spürbar. Sogar eine Studie wies jüngst nach, dass immer mehr Menschen unter 30 die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Tod einfordern.

Die derzeit herrschende Auseinandersetzung mit derlei Themen ist jedoch stark durch Politik und Medien geprägt, die damit eher Panikmache betreiben als eine differenzierte und differenzierende (!) Beobachtung der sogenannten „Menschheitsgeißeln“. Corona wird stellvertretend für alle anderen Krankheiten und Seuchen zu einer Art Schreckgespenst, die Impfung dagegen zu einem strahlenden Retter in der Not. Ohnehin tendiert die postmoderne Wohlstandsgesellschaft, die unter allen Umständen versucht, sich diesen ihren Wohlstand zu bewahren, zur unbedingten Risikovermeidung: Beginnend bei den Kindern, die nicht mehr draußen spielen sollen und stattdessen von Helikopter-Eltern umkreist werden, bis hin zur unbedingten Inklusion „aller in alles“. Jegliche Form des Risikos, der Unsicherheit, der Unterschiede, der Exklusion, der Ungleichheit soll auf Teufel komm raus verhindert werden. Dahinter steckt, noch immer, trotz Säkularisierung, das dualistische Denken der monotheistischen „Weltreligionen“, oder anders gesagt, die Moralisierung der Unterscheidung: Gutes soll wachsen, Böses gänzlich ausgerottet werden. Doch ist die Sache so einfach?

So wie wir erst durch die frühkindliche Wahrnehmung des Gegenübers ein Identitätsbewusstsein für uns selbst entwickeln, so verhält es sich auch mit anderen Unterscheidungen des Lebens. Wir wissen erst durch den Tod das Leben zu schätzen: Würde niemand sterben, wäre das Leben für uns kein Geschenk mehr, nichts Besonderes, nichts Wertzuschätzendes. Es wäre gewissermaßen „einfach da“, ohne hinterfragt und geliebt zu werden. Ebenso ist es mit anderen Unterscheidungen: Erst wer Liebeskummer erlebt hat, weiß die Liebe zu schätzen. Und erst, wer Krankheit erlebt hat, kennt den Wert der Gesundheit.

Aus unitarischer Sicht ergibt sich dadurch eine gänzlich andere Bedeutung der sogenannten Menschheitsgeißeln, als sie aus dem postmodern-monotheistisch geprägten Dualismus heraus konstruiert wird. Für uns sind Göttlichkeit und Diesseits, Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit nicht moralisch aufgeladen, nicht gleichbedeutend mit Gut und Böse. Für uns sind sie zwei Seiten einer Medaille, die sich gegenseitig helfen, sich gegenseitig bestärken in ihrem Wert. Daraus ergibt sich die „Einheit der Unterscheidung“: Anstatt die Differenz zu hassen und moralisierend alles homogenisieren zu wollen, wertschätzen wir sie als Teil des großen Ganzen, der All-Einheit. 
 
Dies gilt umso mehr, als dass beide Seiten der Differenz eben auch ausgleichend wirken, gewissermaßen füreinander wichtige Lektionen bereithalten. So wie der Gesunde seinen Zustand durch die Krankheitserfahrung wertzuschätzen weiß, so ist der Kranke, der zuvor gesund war, dadurch bestärkt darin, diesen Zustand wieder zu erreichen. Aus global grassierenden Krankheiten lernen wir den Fehler des Weltgesellschaftlichen. Die göttliche Natur ruft uns zu: Haltet Maß! Besinnt euch auf eure jeweilige Heimat, findet zu euren Wurzeln zurück, macht Schluss mit der alle Unterschiede und eben auch alle potenziell schützenden Grenzen einstampfenden Globalisierung! Jede Krankheit, jeder Virus, jede Bakterie, jeder Pilz und jeder Tumor, der uns trifft und der unser Leben zum Negativen verändert, beinhaltet eine grundlegende göttliche Botschaft, der wir gut zuhören sollten – anstatt uns panisch und von irrationaler Hysterie geleitet die Ohren zuzuhalten und verzweifelt-lechzend auf Chemie und auf Substanzen zu hoffen, die uns von der Geißel befreien. Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Wohl aber Verständnis, Klarheit und Lebenswillen.

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