Sport statt "Body Positivity"


Warum wir eine rechte Sportpolitik und Körperkultur brauchen


Die Amerikanisierung der Deutschen ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten stetig vorangeschritten. Ein Indikator dafür ist bereits das Bild, das sich einem in der Öffentlichkeit bietet: Die Anzahl an übergewichtigen Menschen, gerade auch übergewichtigen Kindern und Jugendlichen, ist deutlich angestiegen. Übergewicht ist dabei oftmals ein Phänomen nicht von Wohlstand, wie es früher einmal der Fall war und wie es in Entwicklungsländern assoziiert wird, sondern eines gerade auch der unteren sozialen Schichten: In Industriestaaten wie Deutschland, wo absolute Armut à la Afrika so gut wie nicht existent ist und wo man es, nach dem sogenannten Fahrstuhleffekt ab Mitte des 20. Jahrhunderts, eher mit relativer Armut zu tun hat, zeugt starkes Übergewicht oft eher von einem ungesunden, weil unreflektierten und teils undisziplinierten Lebens- und Ernährungsstil. Viel Fast Food, wenig sportliche Betätigung – beide Elemente sind in bestimmten Milieus nicht selten vorzufinden.

Die Ursache dieser Mischung liegt oftmals in fehlender Selbstdisziplin. Diese fällt jedoch nicht vom Himmel, sondern ist – wie so ziemlich jede Charaktereigenschaft, die nicht genetisch oder in sonstiger Weise biologisch determiniert ist – durch Sozialisation begründet. Familiäre Sozialisation, die fehlende Selbstdisziplin herausbildet, kann etwa aus Vernachlässigung oder einem zu permissiven Erziehungsstil resultieren. Wenn von elterlicher Seite aus die Vorbildwirkung fehlt und Regeln nicht mit ausreichender Konsequenz durchgesetzt oder vorgelebt werden, so öffnet dies Tür und Tor für Biografien, in denen es in ganz verschiedenen Bereichen an Motivation und Ambition fehlt – abseits der Körperlichkeit oft auch im beruflichen Feld, wo sich Jugendliche zuweilen in realitätsferne Berufswünsche der Unterhaltungsindustrie flüchten, weil für realistischere Karrieren die Ambitionen fehlen.

Individualisierung und Instagram-Narzissmus

Doch nicht nur die familiäre Sozialisation spielt bei dieser Problematik eine Rolle: Die Familie ist zwar die „primäre Sozialisationsinstanz“, aber nicht die einzige. Neben der Mikro- und der Meso-Ebene gibt es immer auch noch die Makro-Ebene – will heißen: Die Gesellschaft. Auch die Gesellschaft als Ganzes sozialisiert, und zwar im Zuge von Normen, Werten und Institutionen, die eine Gesellschaft dominieren und prägen. Eine der wesentlichsten Säulen der sogenannten westlichen Gesellschaften – und zu einer solchen wurde auch die deutsche nach 1945 transformiert – ist der seit Jahrzehnten stetig angewachsene Individualismus. Der Wert der Individualität wird in der moralistisch-linksliberalen Bundesrepublik des 21. Jahrhunderts hochgehalten wie zuvor nie: Das Individuum genießt absolute Narrenfreiheit. Was „individuell“ ist, ist zunächst einmal positiv – egal wie absurd, wie schädlich, wie unfreiwillig komisch oder sogar wie krank es manchmal sein mag.

Einer der wesentlichsten Faktoren, die diese ganz ohne jede Polemik als dekadent zu beschreibende Entwicklung forcieren, ist der der sozialen Netzwerke – und hierbei speziell die derzeit „angesagten“. Während vor wenigen Jahren noch Facebook die Welt der sozialen Netzwerke dominierte, sind es heute YouTube und vor allem Instagram. Mit anderen Worten: Jene sozialen Netzwerke, in denen es weniger um inhaltliche, textliche Selbstdarstellung geht, sondern eher um optische – mit Fotos oder Videos. Neoliberal-materialistische Konsumgesellschaften tendieren in zunehmender Form zur Oberflächlichkeit.

Da derlei Gesellschaften aber auch vom Marktprinzip geprägt werden, müssen die Entwicklungen der Masse in ihren Werten Berücksichtigung finden: Wo Übergewicht und Essstörungen zunehmend zur Normalität werden, sind gesunde Körperbilder zunehmend „out“ bzw. verkörpern an sich schon wieder latente Mikroaggressionen gegenüber all jenen, die „anders“ sind. Also muss, aus dieser Logik heraus, das „individuelle“ Anderssein zur allgemeinen Normalität transformiert werden.

Das Schlagwort von der #BodyPositivity

Derlei Sozialingenieur-Projekte werden, wie wir wissen, inzwischen am besten über Framing bestimmter Begriffe in Angriff genommen, was insbesondere auf sozialen Netzwerken über das Instrument des Hashtags funktioniert: Indem unter thematisch passenden Posts entsprechende Hashtags gesetzt und stetig wiederholt werden, prägen sie sich beim Rezipienten ein und werden dadurch zu Mottos, zu Slogans, zu Schlagworten, zu Kerninhalten teils ganzer globaler Internet-Bewegungen (man denke etwa an #metoo oder #blacklivesmatter). In diesem Fall wäre etwa das Schlagwort der #BodyPositivity so ein Begriff aus der Giftküche des Radikalindividualismus. Dessen Botschaft lautet: „Ich bin zufrieden mit meinem Körper, habe eine positive Einstellung zu ihm, so wie er ist, egal was irgendwer anders darüber denkt.“

Das bringt überall dort, wo jemand in einem ungesunden körperlichen Zustand lebt, der aber grundsätzlich, mit entsprechendem Willen, hin zu einer gesünderen Form veränderbar wäre, teils massive Folgeprobleme mit sich. Denn wo dem Teenager mit starkem Übergewicht über Instagram eine „Body Positivity“ eingeredet wird, wo Menschen zunehmend den Individualismus als praktisches Wertegerüst zur Legitimierung der eigenen Bequemlichkeit aufgreifen, da schwindet auch der letzte Wille, sich mental und körperlich weiterzuentwickeln und, darauf basierend, gesund zu leben. Die Folgen schließlich belasten – spätestens langfristig – nicht nur die Betroffenen selbst, sondern irgendwann auch die Krankenkassen und damit auch andere Beitragszahler. Allein diese Entwicklung macht deren politische Problematisierung mittlerweile legitim und notwendig.

Es muß Aufgabe gerade konservativer Akteure sein, diesen postmodernen Auswüchsen dekadenter Spaßgesellschaftsstrukturen entgegenzutreten und aktiv ein anderes Körperbild dagegen zu setzen – und zwar das Ideal eines (im Rahmen des Möglichen) gesunden Körpers. Im Gegensatz zum erwartbaren linken Gegenargument, daß derlei zur Ausgrenzung aller führe, die nicht gesund sind, wäre dies eine völlig legitime politische Akzentsetzung. Denn: Gesundheit als Ideal zu setzen bedeutet nicht, Kranke auszugrenzen, sondern nur, eigentlich Selbstverständliches zu postulieren. Krank sein will schließlich niemand – auch Kranke nicht. Im Gegenteil ist es gerade aus Sicht vieler, die an chronischen Krankheiten oder Behinderungen leiden, geboten, ungesund lebenden Menschen den Wert eines gesunden Körpers wieder näher zu bringen: Wer beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hält es tendenziell für unverzeihlich, wenn „eigentlich“ gesunde, übergewichtige Fußgänger für ein Stockwerk den Fahrstuhl benutzen, anstatt in Wertschätzung der eigenen Gesundheit die Treppe zu benutzen.

Ein Weg dahin besteht darin, dem Sport wieder zu einer edukativen Funktion für unsere Gesellschaft zu verhelfen. Immer mehr wurde er in den letzten Jahren und Jahrzehnten selbst in eine Ecke abgeschoben, in der es primär um Massenunterhaltung und Konsum und – in zunehmender Form – auch um subtile politische Diversitätsbotschaften geht. Er spiegelt dabei in sehr verschiedenen Hinsichten nahezu in Gänze den Zustand unserer Gesellschaft wieder.

Multikulturelle Universalisierung des Sports

Im Fußball etwa ist nicht erst über die Entfernung des Zusatzes „National“ aus der „Mannschaft“ die globalistische Politisierung eingeleitet worden: Lange vorher schon waren Fußballspiele eher multikulturelle Zusammenkünfte von Multimillionären, die heute hier, morgen da vertraglich verpflichtet sind – die schwarz-rot-goldenen Fähnchen bei Meisterschaften spielen vornehmlich die Rolle eines Label-Logos, nicht aber mehr die einer Nationalflagge, die eine politische Entität und damit eine kollektive Identität repräsentiert. Nicht viel anders sieht es anderen medial übertragenen, massenkompatiblen Profisportarten aus. Hier gilt es von politischer Seite ein neues Identitätsbewußtsein entgegenzusetzen und einzufordern.

Ähnliches gilt auch für die eigentlich ur-europäischen, für unsere kontinentale Identität ehemals unverzichtbaren Olympischen Spiele, zu denen der verstorbene nationalrevolutionäre Vordenker und Professor für Sportsoziologie Henning Eichberg 1978 im Rahmen des Bandes „Nationale Identität“ einen wichtigen Aufsatz mit dem Titel „Kritik des Olympischen Universalismus“ veröffentlicht hat. Kernthese des Beitrages ist, daß die – modernen – Olympischen Spiele mit (globalistischem) Universalismus ausgestattet und dadurch ihrer eigentlichen kulturellen Identität – also der europäischen – beraubt wurden. Am Beispiel der Olympiade zeigt Eichberg, wie Universalismus stets mit Imperialismus in Zusammenhang steht – der Niedergang der antiken (eigentlich rein griechischen) Olympiade war erreicht, als der Imperialismus der Römer die Olympischen Spiele übernahm.

Eichberg verbindet diese Lektion mit der berechtigten Werbung für eine Rückkehr zu einer spezifisch europäischen Olympiade, die sich dadurch nicht mehr anmaßt, mehr zu sein, als sie ist, und sich durch gerade diese Selbstbeschränkung selbst wiederfindet, anknüpfend „an die Traditionen europäischen Wettkampfgeistes, an die Hochschätzung körperlicher Leistung, an die Wertschätzung des Siegers als einer durch Leistung ausgezeichneten Person. Olympia bedeutete und bedeutet eine spezifisch europäische Einstellung zur Welt, einen Ausdruck europäischen Heidentums“ (S. 96). Ein sich seiner selbst bewußtes, neuheidnisches Europa könne und solle laut Eichberg dorthin zurückfinden. Eine Erkenntnis, die es wert ist, heute wieder von rechter Seite Beachtung zu finden – was gleichwohl nicht bedeutet, daß man sich als Deutschland nun sofort jeglicher Teilnahme an den universalistisch-globalistischen Olympischen Spielen entziehen sollte.

Die Rolle von Sportvereinen und Sportunterricht

In lokalen Sportvereinen zeigen sich allzu häufig auch die weniger glamourösen Seiten der multikulturellen Gesellschaft: Migrantisch geprägte Jugendgruppen dominieren viele Vereine; es kommt zuweilen zu Gewaltausbrüchen. Die oft gepriesene integrative Funktion von Sportvereinen ist in allzu vielen Fällen nicht mehr zu spüren. Ein Feld, in dem insbesondere konservative Kommunalpolitiker gefragt sind – und auch durchaus über Gestaltungsmöglichkeiten und politische Druckmittel verfügen. Vereine sind schließlich auf kommunale Strukturen angewiesen, was der Kommune wiederum einen Gestaltungsspielraum ermöglicht bei der Frage, wie mit derlei Erscheinungen der multikulturellen Stadtgesellschaften umgegangen wird.

Auch der Sportunterricht ist weitläufig optimierbar. Abseits der Tatsache, daß Schwimmunterricht für Kinder heute alles andere als selbstverständlich ist – entweder, weil keine Bäder zur Verfügung stehen, oder gar wegen eigentlich untragbarer religiöser Ausnahmeregelungen für muslimische Schülerinnen –, ist der Sportunterricht schon seit langem auf eine Weise ausgestaltet, die den Schülern eher den Spaß am Sport austreibt als ihn zu wecken und weiter zu stärken. Hier verpaßt Deutschland Chancen und auch Notwendigkeiten, was man bemerkt, wenn man einmal über den Tellerrand schaut: Man denke hier beispielsweise im Vergleich an das Verhältnis asiatischer Kinder und Jugendlicher zum Kampfsport, das in fernöstlichen Breitengraden ein selbstverständliches ist. Damit werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Es wird körperliche Fitness gewährleistet, die über reinen, oft eher der Ästhetik dienenden Kraftsport hinausgeht und z. B. auch Dehnungsübungen und langfristige Gesundheitstrainings einbezieht. Kinder und Jugendliche – Jungen und Mädchen – lernen zugleich Selbstverteidigung, was in einer immer kriminelleren, immer konfliktreicheren, zunehmend amerikanisierten Gesellschaft von immensem Wert ist. Zugleich erfolgt all das auf ganzheitliche Art und Weise: Bei asiatischen Kampfkünsten ist der mentale, kognitive und psychische Aspekt stets mit im Fokus, was eine stabile und im Übrigen auch disziplinierte Persönlichkeitsentwicklung fördert und vorantreibt.

Gegen die körperliche Selbstentfremdung
 
 
Dies wäre aus vielerlei Gründen angebracht, denn die im Kollektiven, im Ethnischen und im Nationalen, also auf der Makro-Ebene beobachtbare Entfremdung der Deutschen von sich selbst setzt sich auf der Mikro-Ebene fort: Die zahlreichen postmodernen Formen der Körpermodifikation stehen nicht nur für den individualismustypischen Narzissmus der Generationen Y und Z, sondern fügen sich – vor allem auch mit ihren drastischsten Ausprägungen hin zur Identitätsflucht und dem Eindruck, man sei „im falschen Körper geboren“ – auch ein in einen generellen Problemkomplex der Entfremdung von sich selbst und vom eigenen Körper, welche dann über anschlußfähige und das Anderssein legitimierende Insta-Hashtags kaschiert wird, anstatt durch einen Weg hin zur mentalen und körperlichen Gesundheit bekämpft zu werden, wie es geboten wäre. Wir brauchen eine neue Kultur der Selbstbefreundung – nicht nur als Volk und Nation, sondern auch als Einzelpersonen mit einer Psyche und einem Körper. Einer der wesentlichsten Träger einer solchen Sozialisationsaufgabe ist der Sport.

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