Depressionsrisiko Waldgang?


Wenn die Einkehr zu Defätismus führt


In Teilen des rechtsintellektuellen Milieus herrscht eine gewisse Ermüdung. Allen voran ein entsprechender Essay von Adolph Przybyszewski in der 96. Ausgabe der Sezession wartete hier mit provokanten Thesen auf, die darin mündeten, daß es nun Zeit für eine „Einkehr“ sei, in der man „über einen neuen Anlauf nachdenken“ müsse. Parteien seien letztlich zum Scheitern verurteilt, da sie nur das bestehende System stabilisierten; als rahmende Theorie für diese These wurde das (durchaus wegweisende) „Eherne Gesetz der Oligarchie“ von Robert Michels herangezogen, wonach es „kein Entrinnen“ (Przybyszewski) gäbe, solange das System funktioniert. Hierbei drohe „gar das Verfehlen des eigenen Lebens“ (ebd.), wenn man dabei mitmache. Das Deutschland, das wir kannten, sei nicht mehr zu retten, sei untergegangen. Metapolitisches Nachdenken über sich, die eigene Lage und Möglichkeiten des Handelns bedeute, besser „alle Hoffnung fahren“ (ebd.) zu lassen, sonst betrüge man sich und andere.

Halleluja! Etwas polemisch gesprochen möchte man annehmen, da hat sich jemand beim Waldgang verirrt und dann aus dem dichten, dunklen Geäst nicht wieder herausgefunden. Dem Leser schlägt eine dicke, graue Nebelwolke entgegen, die über dem bewaldeten Berg hängt, Finsternis, pessimistisches Raunen, ja fast ein Sich-Gefallen in der Rolle der Unke, des Auf-den-Boden-der-Tatsachen-Zurückholers, des Abgeklärten. Dabei bietet der Aufsatz eines der klarsten Indizien dafür, daß zu viel Einkehr, zu viel Rückzug, zu viel Insichgehen, zu viel Reflexion, ja auch zu viel politisch assimilierte Belesenheit handfeste Gefahren in sich bergen kann, die in nicht weniger als waschechtem Defätismus zu enden vermögen. Rechtsintellektuelle Milieus müssen an diesem Punkt irgendwann aufpassen, sich nicht in allzu selbstreferentiellen Literatur-Zirkeln zu verlieren, die einen heutzutage zweifellos kostbar gewordenen Schöngeist darbieten, aber der gemeinsamen politischen Sache nicht mehr dienlich sind. Irgendwann wird es Zeit für einen Eimer Wasser ins Gesicht, einen schrill klingelnden Wecker, ein Rausreißen aus der liebgewordenen Routine des allzeit kommunizierten konservativ-revolutionären, aber überintellektualisierten Tiefsinns. Schluß mit der Selbstbespiegelung, meine Herren!

Das System funktioniert nicht

Beginnen wir einmal soziologisch. Das Eherne Gesetz der Oligarchie, das hier im Ausgangsessay angeführt wird, birgt nämlich in der Tat einen konzeptionellen Ausweg aus der Resignation, den Przybyszewski selbst kennt und sogar aufführt. So formuliert er richtig, daß es kein Entrinnen gäbe, solange das System funktioniert. Eben! Also stellen wir doch einmal die Frage: Funktioniert das System denn?

Funktioniert ein System, das Masseneinwanderung forciert und die kollektive Identität des eigenen Volkes schrittweise zu eliminieren versucht? Funktioniert ein System, das Großbanken rettet, aber für sein eigenes Volk nichts übrig hat? Funktioniert ein System, das plötzlich, legitimiert mit teils haarsträubenden Begründungen, Geheimdienste einsetzen muß, um seine politischen Gegner zu überwachen und zu bekämpfen? Funktioniert ein System, das über einen überhasteten Shutdown die nächste Wirtschaftskrise eingeleitet hat?

Man kann durchaus berechtigt antworten: Nein, das tut es eben nicht. Genau hier zeigen sich die ersten tieferen Risse in der Fassade, es zeigen sich Auflösungserscheinungen, vor denen noch vor 10 Jahren kaum jemand zu träumen gewagt hätte. Es empfiehlt sich auch, den Fokus mal etwas zu vergrößern, in großen Dimensionen auf die gesellschaftliche und politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu schauen: Noch vor eben diesen 10 Jahren hätte auch wohl kaum jemand nur zu hoffen gewagt, daß es einmal in allen deutschen Parlamenten eine recht fest verankerte konservative Partei rechts der Union geben würde. Daß diese Partei, wie auch schon die Grünen und die Linke in ihren Anfängen, grundlegende interne Auseinandersetzungen auszufechten hat, daß es dabei auch mal hart zur Sache geht – das ist politische Normalität, sicherlich aber kein Grund zur „Hoffnungslosigkeit“. Herzlich willkommen im politischen System!

Die Tugend der Geduld

Als klüger mit Blick auf perspektivische Fragen hat sich der französische Vordenker und Philosoph Alain de Benoist erwiesen, der in seinem Schlüsselwerk „Kulturrevolution von rechts“ (wiederveröffentlicht im Jungeuropa-Verlag) deutlich macht, daß das Projekt der Neuen Rechten womöglich über ein Jahrhundert hinweg gedacht werden muß, daß der rechte Aktivist seine Vollendung womöglich nicht mehr selbst erleben wird. Steter Tropfen höhlt den Stein, aber eben sicherlich langsam. Eine der Kernkompetenzen des Konservativen Revolutionärs ist daher nicht primär die Fähigkeit zur inneren Einkehr (diese sicherlich auch, aber eben nicht zuallererst), sondern: Geduld. Enttäuscht und hoffnungslos wird nur sein, wer mit Ungeduld zu Werke geht, und irgendwann nach einigen Jahren nicht aus Gründen meditativer innerer Einkehr, sondern wegen eines handfesten Burnouts in den Wald zurück muß.

Es wäre so gesehen grundfalsch, gerade jetzt, im Zuge dieser ersten Risse, dieser ersten Auflösungserscheinungen im System, den Rückzug anzutreten. Vielmehr gilt es, gerade jetzt weiterzumachen, nicht nachzulassen, sich politisch festzubeißen und jeden dieser Risse und der daraus folgenden systemischen Überreaktionen schonungslos über die eigene Gegenöffentlichkeit zu thematisieren. Und diese Gegenöffentlichkeit, ja auch die sich aus ihr ergebende Kontrakultur gibt es! In der letzten Dekade ist diesbezüglich viel geschehen, eben nicht nur im Parteienspektrum, sondern auch weit darüber hinaus, im vorpolitischen Raum. Das Netz entfaltete hier eine für uns positive Wirkung, da es einen sozialen Gegenraum zu den etablierten Medien ermöglichte und dadurch alternative mediale Berichterstattung und sogar alternatives kulturelles Leben und Jugendkultur begründete (wie sie sich z. B. in Publikum und Leserschaft des Arcadi-Magazins manifestiert). Derlei Entwicklungen gilt es doch bitte zur Kenntnis zu nehmen, bevor man über „Hoffnungslosigkeit als Grundlage von Metapolitik“ lamentiert!

Die sich selbst erfüllende Prophezeiung

Wer sozialpsychologisch vorgebildet ist, kennt die Macht der „sich selbst erfüllenden Prophezeiung“. Und dies ist nicht irgendeine Motivationstrainer-Psychofloskel, sondern handfest empirisch belegt: Wer fest daran glaubt, daß die Lage hoffnungslos ist, der wird unbewußt so handeln und darauf hinarbeiten, daß sich diese Sichtweise am Ende bestätigt. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl gehen weniger gerade, halten den Kopf vorgebeugter, sprechen leiser und unsicherer, halten weniger Blickkontakt. Treten sie in Konkurrenz zu jemandem, der flammend, leidenschaftlich und von seiner Sache überzeugt auftritt (das können übrigens gerade die linksgrünen Überzeugungstäter sehr gut!), werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit übersehen und ignoriert, womöglich sogar verspottet werden. Dem kann man jedoch – Achtung, Psychofloskel – vorbeugen: Indem man mit einem unzerstörbaren Optimismus an die Sache herangeht, indem man den Widrigkeiten – seien sie auch noch so finster und übel – kühn ins Gesicht lächelt. Optimismus, Sportlichkeit, positives Denken schaffen eine Grundhaltung, die so schnell nicht erschüttert werden kann, und die nach außen hin zudem eine mobilisierende Wirkung entfaltet, da sie ermöglicht, Mitstreiter zu gewinnen. Mißlingen wird die Mobilisierung jedoch ganz sicher, wenn man jede Hoffnung zergrübelt und das auch noch allen Ernstes – und fälschlicherweise – zur Grundlage von Metapolitik macht. 
 
Das nämlich wäre das eigentliche „Verfehlen des eigenen Lebens“, da es am Ende, auf dem Sterbebett in der Erkenntnis zu münden droht, vielleicht doch nicht alles versucht zu haben, was möglich war. Diese Frage muß sich der Optimist, der, der zu hoffen wagt, der, der mit Leidenschaft ans Werk geht, der sich nicht vertreiben läßt, am Ende hingegen nicht stellen.

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