Revolution – Eine kurze Begriffsklärung

Wenn von Begriffen wie „Revolution“ oder „revolutionär“ die Rede ist, liegen Missverständnisse und Fehlinterpretationen nicht fern. Gerade weil die alltägliche Assoziation mit dem Begriff der Revolution oftmals eine Art gewaltsamen, blutigen politischen Umsturz beinhaltet, auf welchen hin ein neues Regierungssystem und eine neue Herrschaft installiert werden, ist der Begriff im täglichen politischen Sprachgebrauch eher diskreditiert. Gleichwohl wird er auch in nicht-politischen Zusammenhängen gebraucht: Etwa wenn von der „Revolutionierung“ eines technischen Systems o. ä. die Rede ist. Dies deutet schon darauf hin, dass Revolution als Begriff eine breitere Bedeutung haben muss als lediglich „Blutbad und Regimewechsel“. Wichtig wird diese Feststellung im Besonderen dann, wenn etwa positiv von einer „Konservativen Revolution“ oder von den „Nationalrevolutionären“ die Rede ist.

Revolution ist stets ganzheitlich

Bereits die Bedeutung des ersteren Begriffspaars macht deutlich, dass der Terminus der Revolution eine gänzlich unblutige, gewaltlose Bedeutung haben kann: So bezeichnet dieser einen grundlegenden, radikalen (d. h., das Problem an der Wurzel angehenden) politischen und gesamtgesellschaftlichen Wandel, der sich vor allem auch in den Köpfen von Menschen vollzieht – also sowohl auf der Makro- und der Meso- als auch auf der Mikro-Ebene des Sozialen stattfindet. Folgt man dieser Lesart, so ist, wer „revolutionär“ ist, stets auch „radikal“, jedoch nicht zwingend „extrem(istisch)“.

Der legendäre Studentenführer der 68er Bewegung, Rudi Dutschke, definierte Revolution wie folgt: „Revolution ist nicht ein kurzer Akt, wo mal irgendwas geschieht, und dann ist alles anders. Revolution ist ein langer, komplizierter Prozess, wo der Mensch anders werden muss" (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=F6QUpdg7ero). Die Veränderung des Menschen selbst und damit auch die der Gesellschaft selbst ist also zwingende Voraussetzung einer jeden revolutionären Veränderung. Es geht also nicht nur um einen politischen, sondern auch um einen gesellschaftlichen, einen sozialen, ja sogar einen psychischen Prozess des Wandels nicht nur von gesellschaftlichen und politischen Strukturen, sondern auch des menschlichen Handelns, Kommunizierens, Denkens und Fühlens.

Soziologische Perspektive

Aus dieser Feststellung folgt der nächste logische Schritt: Was „revolutionär“ ist, ist nicht von der Rechtswissenschaft beobachtbar, ebenso wenig von der Politikwissenschaft. Es braucht eine ganzheitliche soziologische Perspektive auf die Dinge, die das Zusammenwirken von Gesellschaft, Organisation, Gruppe, Interaktion und Psyche umfasst und die betreffende Haltung daraufhin untersucht, ob sie einen grundlegenden Wandel eben jenes Zusammenwirkens, eben jener Verhältnisse will – oder ob sie nur an Teilaspekten dessen „herumdoktern“ möchte. Im ersteren Falle läge eine revolutionäre Haltung vor, im letzteren hätten wir es höchstens mit einer „reformistischen“ zu tun.

Doch was meint nun also „Konservative Revolution“ bzw. was will ein „Nationalrevolutionär“? Am klügsten scheint es, sich hier, getreu der soziologischen Methode des extremen Kontrastes (Goffman), vor Augen zu führen, wovon man sich abgrenzt, was man ablehnt, was man bekämpft. So ist die große Diagnose der liberalen soziologischen Systemtheorie nach Niklas Luhmann jene der „funktional differenzierten (Welt-)Gesellschaft“. Demnach ist die Moderne dadurch gekennzeichnet, dass alle Teilsysteme der Gesellschaft – Politik, Recht, Wissenschaft, Wirtschaft, Massenmedien, Religion, Gesundheit, Erziehung, Kunst, Sport, Familie etc. – heutzutage „operativ geschlossen“ sind.

Will heißen: Sie operieren autonom und sind gerade dadurch funktional differenziert voneinander – kein Funktionssystem kann in die Operationen eines jeweils anderen hineinintervenieren. Nach Luhmann bildet diese Ordnung die Grundstruktur der modernen Gesellschaft, welche ihm zufolge auch nicht auflösbar ist, da die Funktionssysteme füreinander viel zu komplex sind, als dass eines ein jeweils anderes steuern und dabei die Übersicht behalten könne.

Führt man sich diese Feststellung zu Gemüte, so erkennt man die brisanten politischen Implikationen, sobald man die komplexe systemtheoretische Begriffswelt „entwirrt“ und übersetzt hat. So wird ja u. a. auch die Aussage getroffen, das politische System sei etwa auch unfähig, die Wirtschaft zu steuern bzw. erfolgreich in sie zu intervenieren. Derlei Interventionen müssen demnach stets scheitern, da kein politisches System die Komplexität ökonomischer Operationen vollends durchschauen und erfassen kann.

Die neoliberale Komponente der Systemtheorie Luhmanns wird an dieser Stelle deutlich: Ein autonomes Wirtschaftssystem bedeutet Marktwirtschaft statt Planwirtschaft und Privateigentum an Produktionsmitteln statt Sozialisierung / Verstaatlichung eben dieser. Und deutlich wird hier eben auch, dass die Systemtheorie mit dieser grundlegenden Prämisse auch die Prämisse der herrschenden gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse beschrieben und gesetzt hat. Sie ist eben zugleich auch eine „systemstabilisierende“ Theorie.

Revolutionäre Politik muss nun also eine Politik sein, die diese Art der Gesellschaftsstruktur grundlegend verändert – in Richtung auf ein wiederhergestelltes Primat des Politischen über die gesellschaftlichen Teilsysteme (im Sinne Carl Schmitts), auf ein Ende der (neo-)liberalen Entpolitisierung, hin zu einer Art Entdifferenzierung, hin zu einer (Re-)Politisierung nicht nur der Teilsysteme der Gesellschaft, sondern auch der verschiedenen Ebenen des Sozialen bis hinunter zur Psyche des Einzelnen: Auch das Private ist politisch.

Es gibt das eine nicht ohne das andere

Diese Zielsetzung gilt es hierbei natürlich zu koppeln mit der – konservativen – Idee der Rückkehr der souveränen und geeinten Nation – daher „Konservative Revolution“ bzw. „Nationalrevolutionär“. Damit ist zugleich der (nicht nur systemtheoretische) globalistische Begriff der Weltgesellschaft in seine Schranken verwiesen: „Gesellschaft“ ist hiermit wieder definiert als territorial und damit politisch begrenzte Entität, die – im Sinne der Unterscheidung nach Ferdinand Tönnies und darüber hinaus weitergedacht – über die daraus hergeleitete nationale Identität zugleich auch zur „Gemeinschaft“ wird. 

Klar ist auch, dass es letzten Endes – konsequent zu Ende gedacht – das eine nicht ohne das andere geben kann: Wer Revolution will ohne Nation, will eine Welt ohne Grenzen, und bedient damit die Neoliberalen (globalistische Linke). Wer Nation will ohne Revolution, der tut das gleiche, denn er verhindert die Rückkehr des Primats des Politischen und stellt sich damit auf scheinpatriotische Weise in den Dienst des Kapitals (Nationalliberale und reaktionäre Konservative). Der einzige Weg zum grundlegenden Wandel der Verhältnisse ist die Konservative Revolution - getragen durch die Massen; vorangetrieben durch eine Avantgarde, die sich als eine kollektiv sinnstiftende, politische und geistige Elite (wohlgemerkt: nicht als Geld-Elite!) versteht.

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