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Niemandem an den Hals werfen

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Zum geopolitischen Richtungsstreit in der AfD Kaum regiert Donald Trump wieder, kaum hat man als Partei etwas Nähe zu Washington aufgebaut, so kommt es wieder auf: Der alte innerparteiliche Zwist zwischen transatlantischen „Trumpisten“ und russlandfreundlichen „Putinisten“. Von „Neokonservativen“ spreche ich hier bewusst nicht, denn dies wäre eher Polemik als wahrheitsgemäße Semantik: Neokonservative im korrekten Sinne des Wortes (d. h.: militant-liberale Demokratie-Verbreiter) gibt es heute eher bei Grünen und FDP; in der AfD ist dies mit den Austritten Luckes und Petrys einigermaßen passé. Was es freilich gibt, sind Anhänger des MAGA-Trumpismus: Manchmal libertär, sicherlich „paläokonservativ“ im US-amerikanischen Sinne, also interessenorientiert-kapitalistisch. Demgegenüber stehen Anhänger eines Bündnisses mit Russland und, zwischen diesen Polen, viele, die im Sinne Bismarckscher Realpolitik auf friedliche Ko-Existenz mit beiden Großmächten setzen. Bedauerlich ist bei alldem aus der...

Adornos "Minima Moralia"

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Wie viel Hoffnung gibt die Kritische Theorie?   In den Kapiteln 4 bis 6 seines Buches „Minima Moralia“ wirft Theodor Adorno die Frage auf, wie und ob man sein Leben leben kann trotz eines allgegenwärtigen Bewusstseins über das „Unerträgliche“ in der Welt – Leid, Unglück, alle Falschheit unserer Existenz. Bietet dieses Bewusstsein überhaupt Perspektiven auf etwas Besseres, das kommen wird? Oder ist die düstere Gegenwartsdiagnose der Kritischen Theorie zugleich eine ebenso düstere Prognose für die Zukunft? Adorno glaubt, im Charakter einer Person höheren Alters erkennen zu können, auf welche Weise diese Person ihr Leben gelebt hat: „Wenn von einem Menschen vorgeschrittenen Alters gerühmt wird, er sei besonders abgeklärt, so ist anzunehmen, daß sein Leben eine Folge von Schandtaten darstellt“ (Adorno 1976: 20). Wer abgeklärt ist, habe gerade dadurch alles Gefühl, alles Mitleid, alles Gewissensmäßige „erstickt“ und der kalten, eben abgeklärten, sogenannten Vernunft untergeordnet, welch...

Habermas und die kommunikative Rationalität

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Quelle der "wahren Vernunft"? Jürgen Habermas wurde mitunter attestiert, er habe mit seiner Theorie der kommunikativen Handlung die Kritische Theorie begraben, nachdem er, bei Beibehaltung des Ziels der Frankfurter Schule, auf eine wahre, nicht-instrumentelle Vernunft abzustellen, versucht hatte, die Methodik und das Vorgehen zur Findung dieser auf grundsätzlich andere, theoretische Füße zu stellen. Im Folgenden soll dieser Versuch Habermas’ genauer untersucht und zudem bewertet werden, ob seine Theorie eine positive Weiterentwicklung darstellt, welche in der Lage ist, die Defizite der klassischen Frankfurter Schule zu überwinden und ob sie tatsächlich eine Perspektive bietet, die „wahrhaftige“ Vernunft zu bestimmen. Unter „instrumenteller Vernunft“ ist hier die klassische Maxime zweckrationalen Handelns zu verstehen, welche von der Aufklärung endgültig installiert wurde. Die Frankfurter sehen sie als Instrument zur Beherrschung der Natur, welches dadurch zugleich ein Instrum...

Kimmel, Linksliberale und das politische Karma

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Wie die „Haltungsjournalisten“ die Meinungsfreiheit wiederentdecken Die linksliberalen Wellen der Empörung in den USA (und dadurch natürlich auch seitens ihrer ideologischen Verbündeten in Europa) schlagen hoch: Zensur! Eine neue McCarthy-Ära! Faschismus! Kein Kampfbegriff und noch so schiefer historischer Vergleich ist den linksgerichteten medialen Kommentatoren hier wie in Amerika zu blöde, um gegen die zeitweilige Absetzung der Late Night Show Jimmy Kimmels durch Disney Stimmung zu machen und sich jetzt, nach deren Widerruf, als neue Freiheitskämpfer selbst zu feiern. Welch eine verlogene Selbstüberhöhung dies ist, kann ein kleines Gedankenexperiment deutlich machen. Erinnern Sie sich noch an George Floyd? Den Mann, der, obwohl er ganze achtmal in Haft war, aufgrund der Umstände seines Todes zum Messias der in Teilen linksextremen „Black Lives Matter“-Bewegung wurde? Man stelle sich einmal vor, der Moderator einer etablierten Late Night Show hätte kurz nach dessen Tod verlauten lass...

Der Blick in den Spiegel

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Wie lange kannst du noch in den Spiegel schauen und zufrieden sein mit dem, was du siehst? Nein, ich spreche natürlich nicht von Äußerlichkeiten. Ich spreche von dem, was dahinter… stattfindet. Allein an diesem Punkt ergibt sich bereits die nächste Frage: Die nach dem richtigen Verb. Von dem, was dahinter… lauert? Wartet? Passiert? Abläuft? Lebt? Liebt? Hasst? Was ist es, was unsere Präferenzen ausmacht, was unsere Einstellungen schärft und konkretisiert, was uns etwas oder jemanden lieben oder hassen lässt, mögen oder nicht mögen, schätzen oder verachten? Sind es frühkindlich gebildete Eigenheiten? Sozialisation? Risikokonstruktionen und Angstselektionen? Ist es unser Glücks- und Unglücksempfinden, das uns und unsere Überzeugungen prägt? Ich las einmal irgendwo, dass Liberale laut einer Untersuchung die glücklicheren Menschen – und gerade deswegen liberal – seien. Wer glücklich ist, sehe demnach auch den Menschen und seine Mündigkeit optimistischer. Konservative hingegen seien misstra...

Abrüstung und Neutralität als Friedenspolitik

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Plädoyer für eine starke Friedensbewegung Vor wenigen Tagen erschien auf Telepolis ein in diesen Tagen ungewöhnlicher Artikel , verfasst von Rolf Bader, dem ehemaligen Geschäftsführer der Deutschen Sektion der „Internationalen Ärzte:innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte:innen in sozialer Verantwortung e.V.“ (IPPNW). Darin schloss er sich eindringlich der Warnung deutscher UN-Experten an, die deutsche Top-Diplomatin Helga Schmid, die bislang für die Position der Präsidentin der UN-Generalversammlung vorgesehen war, durch die bisherige grüne Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zu ersetzen. Baerbock und die NeoCons Eine hocherfahrene Top-Diplomatin soll also allen Ernstes durch eine grüne, eigentlich neokonservative Berufspolitikerin ersetzt werden, die seit ihrem Amtsantritt von einem Fettnäpfchen ins nächste gestrauchelt ist: Von peinlichen Versprechern bis hin zu offen kommunizierter Gleichgültigkeit gegenüber ihren Wählern (welch ein großartiges Symbol für die Demokratie!)...

Gesinnungsjustiz und Majestätsbeleidigung

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Presse- und Meinungsfreiheit unter Feuer Es gibt in der Geschichte von Staaten immer mal wieder, um mal einen Begriff der sogenannten Klimaschützer zu gebrauchen, „Kipppunkte“, die eine bislang verbrämte, aber insgeheim von allen registrierte Negativentwicklung plötzlich offenlegen. Diese Kipppunkte führen dazu, dass plötzlich selbst Leute, die zu derlei Entwicklungen geschwiegen haben (während andere sich schon seit Jahren den Mund fusselig geredet und die Finger wund getippt haben, um davor zu warnen), aufwachen, sich kritisch zu Wort melden und dadurch helfen, endlich einen Wandel anzustoßen. Besonders im Falle von Einschränkungen der Presse- und der Meinungsfreiheit war dieses Phänomen immer wieder zu beobachten: Die paranoiden Exzesse gegen Ende der McCarthy-Ära in den USA waren so ein Kipppunkt, ebenso das unrechtmäßige Vorgehen des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz-Josef Strauß (CSU) gegen die SPIEGEL-Redaktion im Jahre 1962. Einen solchen Kipppunkt erleben wir jetzt ...