Clintons Albtraum: Tulsi Gabbard
Die eigentliche Alternative
Hillary Clinton und so manch
anderer aus dem Establishment der Demokratischen Partei der USA dürfte in
diesen Tagen wieder schlecht schlafen. So bewirbt sich derzeit, neben dem doch
schon recht alten Sozialisten Bernie Sanders, noch eine andere Politikerin für
die US-Präsidentschaftskandidatur, die inhaltlich und biografisch den
globalistisch-neoliberalen Eliten ihrer Partei alles andere als genehm sein
dürfte: Tulsi Gabbard – ehemalige Militärangehörige und Veteranin im
Majorsrang, praktizierende Hindu, Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus aus dem
Bundesstaat Hawaii. Hillary Clinton verstieg sich vor einiger Zeit gar zu der
(wohl implizit gegen Gabbard gerichteten) Behauptung, auch 2020 würde Russland
wieder eine Kandidatin fördern. Wer ist diese unorthodoxe Politikerin, die
„Killary“ zum Einsatz dieser rhetorischen Atomwaffe (für die Gabbard sie
übrigens im Januar dieses Jahres verklagt hat) veranlasst hat?
Gabbard, die religiös in einer
Art Splittergruppe der Hare-Krishna-Bewegung sozialisiert wurde, wurde erstmals
2013 als erste Hindu in den US-Kongress gewählt, wo sie seitdem
schwerpunktmäßig mit außen- und sicherheitspolitischen Themen befasst ist. Zuvor
saß sie seit 2002 im Repräsentantenhaus ihres Bundesstaates Hawaii, meldete
sich aber 2004 freiwillig zum Einsatz im Irak. 2008 bis 2009 bildete sie als
Zugführerin der Militärpolizei in Kuwait dortige Militärangehörige in
Terrorismusbekämpfung aus. 2013 wurde sie zur Vize-Chefin des Democratic
National Committee (DNC) gewählt, geriet aber ab 2015 in Konflikte mit deren
Vorsitzenden Debbie Wasserman Schultz und trat schließlich 2016 von diesem
Parteiamt zurück, um ohne Verstoß gegen Neutralitätspflichten den
demokratischen Kandidaten Bernie Sanders unterstützen zu können. Diese
Unterstützung begründete sie mit Verweis auf ihre Gegnerschaft gegen
interventionistische Kriege, die sie mit dem klassischen Linken Sanders teilt.
Eine Gegnerin des US-Interventionismus
Und da haben wir ihn auch schon,
den Hauptanlass für die Unbeliebtheit beim Parteiestablishment und für die
Verleumdungen Clintons, die man seit 2016 auch schon im Falle Trumps zu hören
bekam. Wer sich in der US-Politik nicht für Interventionskriege – also für
US-Hegemonialpolitik – begeistern kann, gefährdet ernsthaft seine
innerparteilichen Karrierechancen – bei den neoliberalen Demokraten ebenso wie
bei den neokonservativen Republikanern. Gabbard jedoch spielte hier seit jeher
mit erfrischend offenen Karten. So plädiert sie für einen Abzug amerikanischer
Soldaten aus dem Ausland, will die US-Truppen aus Afghanistan abziehen und will
der US-Regierung gesetzlich untersagen, aufständische Kräfte gegen den
syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu unterstützen, den sie 2017 zweimal
selbst traf. Stattdessen solle man sich endlich auf die Bekämpfung der
islamistischen Terrororganisationen und Terrornetzwerke wie IS und Nusra-Front
konzentrieren. Zum Vorwurf an Assad, Chemiewaffen eingesetzt zu
haben, bekundete sie Skepsis.
Die US-Unterstützung für
Saudi-Arabien – einer der größten Terrorförderer der Region und dennoch enger
US-Verbündeter sowie immer wieder Empfänger auch deutscher (!)
Waffenlieferungen – solle aus Gabbards Sicht enden. Im Nahostkonflikt tritt sie
für eine Zwei-Staaten-Lösung und damit für die Errichtung eines souveränen
Staates Palästina ein. Den US-geförderten venezolanischen Politiker Juan Guaidó
wollte sie nicht als Interimspräsidenten seines Landes anerkennen lassen.
Zuletzt kritisierte sie in scharfer Form die Ermordung des iranischen Generals
Soleimani: Aus ihrer Sicht war dies ein kriegerischer und illegitimer Akt der
Trump-Administration. Den türkischen Machthaber Erdogan bezeichnet sie als
„islamistischen, expansionistischen Diktator“, als „sogenannten Alliierten“,
der „nicht unser Freund“ ist, und kritisierte die langjährige türkische
Unterstützung von islamistischem Terror. Eine Konfrontation mit Russland müsse
unter allen Umständen vermieden werden.
Die 38-jährige Gabbard vertritt
damit außen- und sicherheitspolitisch letztendlich eben jene souveränistischen,
anti-interventionistischen "America-First“-Positionen, die zu realisieren
der Realpolitiker Trump in seinem Wahlkampf versprochen, die er aber – wohl
unter dem Druck seines eigenen Parteiestablishments und des US-eigenen „tiefen
Staates“ – nicht umgesetzt hat. Und dies tut sie durchaus glaubwürdig: Als
dekorierte Veteranin und Anti-Terror-Ausbilderin kann sie auf glaubwürdige
eigene praktische Erfahrungen verweisen und muss sich von den Washingtoner
Falken, von denen selbst nur allzu wenige einen Militärdienst abgeleistet
haben, keine Feigheit vorwerfen lassen. Gabbard, die eine Zeit lang als
Kampfsport-Trainerin arbeitete und Karma Yoga betreibt, ist die authentische,
erfahrene Kämpferin aus der Praxis, die sich von den Kriegshetzern nichts mehr
sagen lassen muss.
Eine konservative Demokratin
Dass ihre Haltung durchaus nicht
links-naivem Pazifismus oder Gutmenschentum entspringt, sondern einem gesundem
und vernünftigen Patriotismus, macht jedoch nicht nur ihre überzeugende
Biografie deutlich, sondern auch ein näherer Blick auf ihre innen- und
gesellschaftspolitischen Positionen, die aufzeigen, dass Gabbard durchaus nicht
zum linken, sondern eher zum (in den letzten Jahren arg geschrumpften)
konservativen Flügel ihrer Partei zu zählen ist.
So hat sich Gabbard, die gute
Kontakte zu indischen Nationalisten unterhält, zwar einen Ruf als Gegnerin
einer neokonservativen „Regime-Change“-Außenpolitik erworben, gilt aber dennoch
als klare Befürworterin des Kriegs gegen den Terror, die für falsche politische
Korrektheit nicht viel übrig hat. In diesem Zusammenhang kritisierte sie u. a.
den damaligen demokratischen US-Präsidenten Barack Obama und seine frühere Außenministerin
Hillary Clinton dafür, angesichts von IS und Al-Qaida nicht mehr von „radikalem
islamischen Terror“ zu sprechen, nur um die Muslime nicht zu verärgern. Zudem
trat sie für eine von Obama bekämpfte republikanische Gesetzesvorlage ein, die
erhebliche Verschärfungen bei der Einwanderung von Flüchtlingen aus Syrien und
dem Irak vorsah.
Gesellschaftspolitisch bekämpfte
sie über mehrere Jahre die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe, arbeitete
sogar bei einer konservativen Organisation, die ihr Vater gegründet hatte und
die sich diesem Ziel widmete, verteidigte damit das klassische Modell der
Familie und äußerte dazu im Jahr 2004: „As Democrats we should be representing
the views of the people, not a small number of homosexual extremists.“ Politisch
setzte sie sich mehrfach für verwundete Veteranen ein. In sozialen und
ökonomischen Fragen vertritt sie wohlfahrtsstaatliche Positionen (CNN
bezeichnete sie – Achtung – als „populistisch“, was man wohl als europäischer
Patriot im Zweifel eher als Auszeichnung verstehen sollte): Gabbard fordert die
Erhöhung des Mindestlohns, befürwortet die Ausweitung der staatlichen
Krankenversicherung, will Offshore-Steuervorteile abschaffen und die
übermächtigen Social-Media-Großkonzerne – immerhin Hauptakteure des Globalismus
– zerschlagen.
Gut für ihr Land und die Welt
Betrachtet man Tulsi Gabbards
Positionen, Äußerungen und Wirken im Gesamtbild, nicht zuletzt auch unter
Wertschätzung der damit verbundenen biografischen Authentizität, so kann man
europäischen Konservativen eigentlich nur zurufen: Löst euch von der Fixierung
auf den (ziemlich unberechenbaren) Trump. Ob er nun selbst „Establishment“ ist
oder nicht, ob er nun die interventionistischen Schritte seiner Administration
selbst forciert hat oder nicht, ob dies nun eigenen Intentionen entsprang oder
dem „tiefen Staat“ des militärisch-industriellen Komplexes bzw. dem
übermächtigen republikanischen Establishment – fest steht, dass er allzu viele
realpolitische Versprechen seines Wahlkampfes, in dem die Devise „America
First“ dominierte, nicht eingelöst hat. Zumindest den solidarisch
ausgerichteten Konservativen hierzulande, die eine soziale und zugleich
konservative Politik ebenso befürworten wie ein souveränes Deutschland, ein
identitätsbewusstes Europa und ein nicht-hegemoniales Amerika, muss man
dringend ans Herz legen, Tulsi Gabbard die Präsidentschaft zu wünschen. Sie ist
die eigentliche Alternative. Die Alternative zur
neokonservativ-interventionistischen Kriegshetze des GOP-Establishments ebenso
wie die Alternative zum neoliberalen Globalismus der Demokraten-Spitze.
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