Klimaschutz als patriotisches Anliegen

Für die Zurückdrängung habitueller Trotzreaktionen


Wenn ein Thema heutzutage gesellschaftlich konsensual beurteilt wird, reagiert der Konservative von heute zunächst grundsätzlich mit Skepsis. Skepsis ist auch nichts, was an sich verkehrt wäre: Oft genug – etwa auf den Feldern der Migrations- und Gesellschaftspolitik, der Außenpolitik und der Coronapolitik der letzten Jahre war und ist sie dringend notwendig und mehr als berechtigt. Wenn Skepsis jedoch beginnt, zu einer Art „generalisiertem Trotzreflex“ zu mutieren, ist wiederum genau gegenüber diesem Affekt Skepsis geboten. Ein Feld, in dem sich diese Problematik seit ein paar Jahren und in immer weiter verstärkter Form abspielt, ist das der Klimapolitik.

Egozentrischer Affekt versus Verzicht und Disziplin

Der Begriff des „Boomers“ steht, auch wenn er oft mit der Babyboomer-Generation assoziiert wird, heute mehr für eine Mentalität denn für eine tatsächliche Altersgruppe. Anders als die Gruppe der Babyboomer kann ein „Boomer“ im heutigen, negativ konnotierten Sinn auch durchaus mal jemand sein, der ein oder zwei Jahrzehnte vor oder nach den tatsächlichen Babyboomern zur Welt gekommen ist. Tatsächlich ist der Begriff besser definiert, wenn man unter ihm Menschen versteht, die sich in ihrer zweiten Lebenshälfte befinden, die gerne in ihre persönlichen goldenen Zeiten in den 70er bis 90 Jahren zurück wollen, die prinzipiell von allen kollektiven, gesellschaftlichen Verpflichtungen verschont werden wollen und die anderen diese Haltung in einer Art dauerschimpfenden Attitüde aufzwingen wollen.

Der konservative Politologe und Publizist Claus M. Wolfschlag veröffentlichte im Blog der Sezession vor über 13 Jahren einen klugen Beitrag mit einer Grundsatzkritik an „konservativer Klimaskepsis“. Mit „Konservatismus“ im Sinne kollektiver Verantwortung, Verzicht, Disziplin und gemeinschaftlicher Solidarität hat diese Ego-Haltung, wie Wolfschlag richtig darlegte, in den meisten Fällen jedoch nur wenig zu tun, auch wenn die Überschneidungen zunächst an der Oberfläche vorhanden zu sein scheinen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich nicht selten eine immer wieder hervortretende Assoziation echter oder sogenannter Konservativer mit „klimaskeptischem“ Gedankengut, wie es vor allem die US-Republikaner vertreten.

Irreführende Terminologie

Die Begriffe „Klimaskeptiker“ oder gar „Klima(wandel)leugner“ sind dabei – das muß man hier vorausschicken – denkbar unpräzise bis schlicht irreführend und manipulativ. Nicht nur, daß der Begriff des „Leugners“ automatische, vermutlich durchaus beabsichtigte Assoziationen mit dem des „Holocaust-Leugners“ weckt (ähnlich dem nicht weniger irreführenden Terminus des „Corona-Leugners“, der den gleichen Intentionen entsprungen sein dürfte) – faktisch leugnet niemand hier oder anderswo „den“ Klimawandel, ebenso wie kaum jemand ernsthaft vertrat, daß es Corona „nicht gäbe“. Skeptisch war man vielmehr gegenüber der allgemein postulierten These der besonderen Gefährlichkeit von Corona, und skeptisch sind viele eher gegenüber der Theorie, der Klimawandel sei menschengemacht. Daß es ihn gibt – aus welchen Gründen nun auch immer –, wird nicht bestritten, von so gut wie niemandem. Dies gilt es fairerweise vorauszuschicken, wenn über die Frage sachlich diskutiert werden soll.

Nichtsdestotrotz machen es sich jedoch eben auch jene, die lediglich den menschengemachten Klimawandel leugnen, nur allzu leicht. Warum? Die Motivation dahinter dürfte einer ganzen Melange von Intentionen entspringen: Im Mittelpunkt dürfte jedoch der Wunsch stehen, so weiterleben zu können, wie das bisher möglich war – ohne energiewende-bedingte Unannehmlichkeiten, ohne das, was die Soziologie Kontingenz nennt, also Ungewißheit, gesellschaftliche Verunsicherung. Kontingenz ist etwas, mit dem Menschen oft nicht gut umgehen können, insbesondere, wenn sie älter werden, denn im Alter läßt die Risikobereitschaft nach – und gerade die ist nun einmal gefragt, wenn es gilt, sich auf neuartige Lebensweisen einzulassen.

Selbstvergewisserung und Gruppendenken

Aus dieser mitunter intellektuell recht bequemen Haltung heraus sucht man sich schließlich vor allem im Netz jene Informationen zusammen, die zur eigenen Weltsicht passen. Und, seien wir ehrlich mit uns selbst: Dies ist heutzutage von jeder politischen Warte aus recht leicht. Das bedeutet freilich nicht, daß das Mainstream-Gerede über nahezu ausschließliche „Desinformationen“ und „Verschwörungserzählungen“ im rechten Spektrum deswegen stimmen würde – gerade auch im Mainstream suchen sich nur allzu viele Menschen gerne eben jene „Informationen“ zusammen, die ihnen in ihrer politischen Bequemlichkeit in den Kram passen. Nur: Auch Konservative sind gegen diesen sozialpsychologisch gut erforschten Wunsch nach Selbstvergewisserung nicht gefeit – und im Bereich der Klimapolitik zeigt sich dies oft leider nur allzu deutlich. Begleitet wird all dies, wie so häufig, durch das ebenfalls sozialpsychologisch meßbare Phänomen des Gruppendenkens: Je stärker eine – etwa politische – Gruppe von ihrer sozialen Umwelt isoliert ist (und das AfD-nahe Spektrum ist von seiner politischen Umwelt oft – und meist unverschuldet – sehr isoliert!), desto größer ist auch das Risiko, sich in manchmal unrealistische Sichtweisen hineinzusteigern. Doch davor sollten wir uns hüten.

In dem manchmal verzweifelt anmutenden Wunsch, sich in der eigenen Sichtweise bestätigt zu sehen, wird dann mitunter gar zu Quellen gegriffen, die, kämen sie von der politischen Gegenseite, aufgrund ihrer unseriösen Natur von uns regelrecht zerpflückt werden würden. Ein Name, der unter Skeptikern der These des menschengemachten Klimawandels immer wieder grassiert, ist etwa Richard Lindzen. Lindzen ist Physiker und Meteorologe, lehrte u. a. in Harvard und gehört in seiner Zunft zu den wenigen ausgewiesenen, biografisch gesehen renommierten „Klimaskeptikern“ (aus den oben genannten Gründen setzen wir den Begriff weiter bewußt in Anführungszeichen) aus der Sphäre der Wissenschaft.

Regelmäßig unterschlagen wird bei positiven Verweisen auf die Person Lindzen jedoch gerne, welch ausgeprägte Verbindungen er über Jahre hinweg zu fossilen Energiekonzernen und deren finanziell gut geölten Lobbyorganisationen pflegte, darunter drei Denkfabriken, die vom Öl-Konzern ExxonMobil finanziert wurden. Er beriet nachweislich die Öl- und Kohleindustrie und stand mit seiner Arbeit auch in Verbindung zum Kohlekonzern Peabody Energy. Dies alles ist keine Theorie und keine Schmutzkampagne, sondern im Wesentlichen mehr als eindeutig und durch Akten belegt.

Wirtschaftliche Interessen der „Klimaskeptiker“

Wer sich auf Lindzen beruft, beruft sich mitnichten auf einen Vorkämpfer für wissenschaftliche Wahrheitsfindung – und erst recht nicht für die Interessen des „kleinen Mannes“. Vielmehr kommt hierin eine Kontinuität zum Ausdruck, für die auch die Republikanische Partei in den USA schon immer stand und bis heute steht: Die Nähe zu den „klassischen“ Industrien und einem turbokapitalistischen Verständnis der sogenannten freien Marktwirtschaft. Während die US-Demokraten heutzutage eher von den linksliberal gepolten, zukunftsträchtigen Big-Tech-Konzernen des Silicon Valley und von der Finanzindustrie (man könnte sie getrost auch „Finanzmafia“ nennen) der Wall Street getragen werden, haben die Republikaner seit langem schon gute Verbindungen zu jenem Teil der Wirtschaft, der beim Wandel von Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft hintenüber zu fallen droht: Fossile Energie, Stahl, Rüstung. Patriotischer macht das die Republikaner auch nicht – sie sind dadurch lediglich eine Art Lobbypartei der (vermutlich trotzdem langfristig nicht funktionierenden) Besitzstandswahrung mit zeitweise populistischen „Momenten“, strukturell und milieumäßig ähnlich der hiesigen FDP.

Gleichwohl mag es für den „Average Joe“ der Republikaner-Funktionärsebene allein aus wahltaktischem und nicht zuletzt finanziellem Kalkül heraus noch Sinn machen, bei dieser Haltung zu bleiben, denn diese Nähe bringt der GOP immerhin regelmäßig, vor jeder Wahl wieder, Millionenspenden ein. Als rechte Partei in Europa, vor allem als deutsche AfD, kann man jedoch nicht einmal auf diese Pferde setzen – was „klimaskeptische“ Haltungen hierzulande noch irrationaler macht, da sie sich nicht einmal wahltaktisch oder gar finanziell rentieren (nicht, daß das letzten Endes ein ausreichender Grund wäre, diese Position zu vertreten). Letzten Endes verbalisiert man dadurch lediglich die Besitzstandswahrung einer ganz bestimmten, wenn auch derzeit noch quantitativ starken Generation, die diese Haltung jedoch langfristig nicht wird durchhalten können. Dies geschieht auch auf Kosten der jungen Generation, die die politische Rechte ansonsten womöglich durchaus besser erreichen könnte: Der Autor dieser Zeilen hat bei verschiedensten Gelegenheiten mehr als einmal gerade von jüngeren Leuten zu hören bekommen, daß „die AfD ja eigentlich ganz gute Dinge sagt“, viele ihrer klimapolitischen Positionen aber in heutigen Zeiten nicht nachvollziehbar seien, weswegen man sie nicht wählen oder gar in ihr aktiv werden könne. Solche Einwände gilt es ernst zu nehmen.

Heterogenität bei den Klima-Protestbewegungen

Auch, wenn sich das für jene, die sich (zu Recht) über die Klimakleber der Letzten Generation aufregen, manchmal anders darstellen mag: Auch die Szene der Klimaschützer ist eben durchaus kein homogener Block, ebenso wenig wie die neurechte Szene, die Corona-Kritiker oder die politische Linke. Jede soziale Protestbewegung ist stets heterogen strukturiert, und beinhaltet oft verschiedenste Ansätze, über die bewegungsintern nicht selten heftig gestritten wird. Die erst jüngst zu hören gewesene Kritik von Fridays for Future an den Methoden der Letzten Generation hat das nochmal nachdrücklich aufgezeigt. Und auch, wenn manche das in der rechten Sphäre kaum glauben können: Extinction Rebellion (XR) verfolgt mitunter – oft auch je nach Ort und Milieu – durchaus de-eskalative, methodisch gesehen schlaue Ansätze zur Verfolgung ihrer Inhalte, die weitaus subtiler und intelligenter sind als die plumpen Methoden der derzeit provokant-diskursprägenden Letzten Generation. Die Ansätze sind verschieden, und nicht jeder Klimaaktivist ist automatisch identisch mit Antifa und Co. Schwarzweißmalereien und undifferenzierte Feindbilder taugen für dieses Thema nicht viel und sind faktisch unberechtigt.

Klüger wäre es für die politische Rechte, die ja in anderen umweltpolitischen Feldern durchaus offen für ökologische Inhalte ist, hier eine Position einzunehmen, wie sie in den letzten Jahren in dieser Frage etwa von Sahra Wagenknecht oft artikuliert worden ist: Anstatt wider die Faktenlage den menschengemachten Klimawandel anzuzweifeln, läßt sich das grün-liberale Establishment nämlich an einem ganz anderen Punkt viel sinnvoller attackieren. So müßte inzwischen eher die Frage im Mittelpunkt stehen, wie Klimaschutz geleistet werden kann, ohne dadurch zugleich den sozialen Frieden zu gefährden, wie dies jedoch vor allem seitens der Grünen forciert wird. Die mittlerweile extrem wirtschaftsnahe grüne NeoCon-Partei der urban-linksliberalen Bildungsbürger, die bereits beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik schlimmste Doppelmoral aufweisen (Stichwort Waffenlieferungen), gefällt sich in ihrem oberlehrerhaften und zugleich finanziell gutgestellten Habitus darin, „Otto Normalverbraucher“ eine Belehrung nach der anderen reinzuwürgen – läßt dabei aber die eigentlichen Klimasünder (Global Player, Konzerne) weitestgehend unangetastet. Hier liegt ein politischer Missstand geradezu brach vor uns, der von so gut wie niemandem problematisiert wird. Die Frage der sozialen Abfederung von Klimaschutzmaßnahmen bildet die eigentlich sinnvolle Diskursmasse.

Neue Migrationswellen verhindern 
 
Auch von rechts ist es möglich, das Thema Klimaschutz positiv anzugehen – und ja, es ist nicht nur möglich, sondern auch nötig. Denn noch ein anderer Punkt darf nicht außer Acht gelassen werden: Das Ignorieren der Problematik wird – wie schon die frühere Ignoranz etwa gegenüber der politischen Destabilisierung des Nahen Ostens durch den Westen – unweigerlich zu neuen Migrationsbewegungen aus den Entwicklungsländern führen, wo sich die verheerenden Folgen des Klimawandels als erstes zeigen werden. Wir werden unsere nationalen und kontinentalen Grenzen glaubwürdiger und überzeugender schützen – und schließen – können, wenn wir alles, wirklich alles Mögliche getan haben, um die Ursachen für diese Migrationsbewegungen zu eliminieren. Dieses Ziel jedoch macht authentische Bemühungen um ein gesundes Weltklima auch für die politische Rechte zur Pflicht.

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