Ökologie, Naturschutz und Nachhaltigkeit als konservative Grundwerte
Für den Paradigmenwechsel zu einer unitarischen Ethik
Ist aktuell von Ökologie,
Nachhaltigkeit, Umwelt- und Naturschutz die Rede, ist der Gedanke an
Klimawandel und Klimaschutz nicht fern. Nicht erst seit Greta und den
einschlägigen sozialen Bewegungen, die das Thema ganz nach oben auf die
politische Agenda gerückt haben, dominiert die Klimaschutzfrage die Gemüter,
und schafft neue inhaltliche Trennlinien zwischen den Staaten, politischen
Parteien und anderen politischen Akteuren. Auch innerhalb konservativer
Parteien wie der AfD sorgt die neue Debatte für reichlich Diskussionsstoff.
Eine diskursive Einengung, im Zuge derer der – eigentlich sehr notwendige –
Fokus auf andere Bereiche und Fragen des Umwelt- bzw. Naturschutzes mehr und
mehr verloren geht. So kann es nicht weitergehen.
Denn: Egal wie man nun zu der
Frage steht, wie hoch der menschliche Anteil am Klimawandel und damit auch wie
groß dessen Verantwortung für eine Bekämpfung dessen ist, ist festzustellen,
dass der menschliche Umgang mit der Natur auch heutzutage alles andere als
sorgsam oder rücksichtsvoll ist. Das Problem beginnt, wenn man es genau nimmt,
bereits bei der Semantik: Geht es denn nun um Umweltschutz – oder nicht eher um Naturschutz?
Naturschutz statt lediglich Umweltschutz
Betrachtet man den Begriff der
Umwelt einmal genau, so wird man feststellen, dass er durch und durch
anthropozentrisch ist. Wer die Natur, den Planeten, den Kosmos semantisch zur Umwelt transformiert, der reduziert sie
damit genau genommen auf ihre Rolle für uns, für den Menschen, der immer noch
und weiterhin im Zentrum der Betrachtung steht und um den sich alles dreht, wie
sich für die Dogmatiker früherer Zeiten die Sonne um die Erde drehte. Im Zentrum
der Mensch – in christlicher Auslegung: Die „Krone der Schöpfung“, die sich
„die Erde Untertan“ machen solle. Um
ihn herum: Alles andere. Die Umwelt.
Der Begriff des Naturschutzes ist
genau genommen der respektvollere und wertfreiere: Unbeeinträchtigt von der
christlichen Dogmatik stellt er auf den Schutz der Natur ab, zu der der Mensch
in gleicher Weise gehört wie der Baum oder das Insekt, in der er weder eine
untergeordnete noch eine herausgehobene Rolle gegenüber anderen Erscheinungen
des Lebens einnimmt. Eine Dichotomie im Sinne von „hier der Mensch, da die
Umwelt“ bzw. „hier wir, da alles andere“, wie sie der Umwelt-Begriff
impliziert, gibt es so eben nicht. Was es gibt, ist eine Natur, eine einzige, die nicht nur regional, nicht nur global,
nicht nur irdisch ist, sondern in der Tat kosmisch und als solche
schützenswert, da sie Leben bedeutet
und beinhaltet.
Politisch resultiert aus diesen
Überlegungen die grundsätzliche Frage, wieso man überhaupt ökologische Politik
betreiben solle, was eigentlich das Leitmotiv, die primäre Intention dahinter
ist. Wer sie auf den reinen Umweltschutz reduziert, der erklärt damit de facto
die Notwendigkeit ökologischer Politik aus egoistischem Denken: Es gilt, die
Umwelt zu schützen, um den Lebensraum des Menschen nicht zu schädigen. Wer
hingegen Naturschutz betreiben will, der will die Natur um ihrer selbst willen schützen: Sie hat demnach als solche ihren
Wert, ob sie nun menschlicher Lebensraum ist oder nicht, ob sie für den
Menschen eine Funktion erfüllt oder nicht. Leben ist als solches wertvoll – ob menschlich oder nicht.
Eine unitarische Ethik der Ökologie
Hinter dieser Einsicht steht der
notwendige Paradigmenwechsel von einer christlichen hin zu einer unitarischen
ökologischen Ethik, welche die Natur als Teil der Unitas, der All-Einheit, als Trägerin des Göttlichen als
schützenswert ansieht, anstatt dem Menschen eine „krönende“ Sonderrolle im
Rahmen einer göttlichen „Schöpfung“ zuzugestehen, die aber im Grunde nur als
diesseitiges „Jammertal“ gesehen wird, welches dem paradiesischen Jenseits
gegenübersteht.
Während die anthropozentrische
christliche Auslegung stets gut mit dem wachstumsorientierten Neoliberalismus
harmonierte – insbesondere in der protestantischen Interpretation, deren
Korrelation zum „Geist des Kapitalismus“ von keinem Geringeren als Max Weber
aufgezeigt wurde – neigte die konservative Auffassung, die im deutschen
Idealismus, in der Romantik, im mystischen Denken wurzelt, seit jeher eher zur
Ganzheitlichkeit. Hier wird die Natur um ihrer selbst willen gedacht und nicht
auf ihre biologische – oder gar nur ökonomische – Funktion für den Menschen
reduziert. Konservatismus bedeutet, ein ökologisches Bewusstsein um der Natur
selbst willen zu haben, es nicht rein „pragmatisch“ zu verstehen.
Diese zunächst sehr
philosophisch-ethisch-theoretisch anmutende Unterscheidung birgt durchaus viele
sehr praktische Implikationen für ökologische Politik. Ist etwa vom notwendigen
Schutz der Regenwälder vor Rodung und Abholzung die Rede, so reicht es eben von
dieser Warte her nicht aus, auf die natürliche Funktion der Flora für die
Sauerstoffbildung zu verweisen. Die Flora ist eben stattdessen um ihrer selbst
schützenswert. Der jeweilige südamerikanische Baum hat eben selbst, als solcher
ein Anrecht auf Leben, und nicht nur weil er „der Umwelt dient“. Genauso wenig
lässt sich der Wert des Hambacher Forsts auf „den Klimawandel“ reduzieren –
vielmehr ist er zunächst einmal um seiner selbst willen existenzberechtigt!
Eine Position, die für manche allzu „schöngeistig“ oder idealistisch erscheinen
mag, die aber im tiefsten Sinne des Wortes konservativ ist, da sie auf die
Bewahrung des Bewahrenswerten setzt.
Biodiversität und Artenschutz
In diesem Kontext ist auch das
Stichwort der Biodiversität relevant. So wie Konservative etwa auch die
Vielfalt der Kulturen und souveränen Nationen in Europa zu schätzen wissen, hat
auch die Artenvielfalt der Natur einen Eigenwert – egal, inwieweit der Mensch
nun beispielsweise auf einen bestimmten Insektenbestand angewiesen ist oder
nicht. Daher ist politisch auf ihre Bewahrung hinzuwirken.
Und auch diese Erkenntnis und
Positionierung gilt völlig unabhängig von der oft diskutierten Frage des
menschengemachten Klimawandels. Durchaus seriöse, des Lobbyismus unverdächtige
Quellen sprechen bei 14.000 Wirbeltier-Populationen von einem Rückgang der
Bestände um fast 60 % während der letzten 40 Jahre. Besonders Amphibien und
Süßwasserfische sollen hier betroffen sein. Auch die teils drastischen
Entwicklungen im Insektenbestand (u. a. Bienensterben) sind weitläufig bekannt.
Und auch AfD-Vertretern stünde es durchaus gut zu Gesicht, auf den Schutz von
Insekten und Vögeln nicht nur zu sprechen zu kommen, wenn es um Argumente gegen
Windräder geht.
Als Ursachen für die
beschriebenen Missstände werden u. a. die bereits oben problematisierte
Abholzung und Rodung von Wäldern, (wodurch auch immer verursachte)
Klimaveränderungen, Stickstoffbelastungen von Gewässern und erhöhte
Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre genannt. Auch der vorletzte Punkt
sollte aufhorchen lassen, da eben solche Stickstoffbelastungen auch durch
Autoabgase zustande kommen. Es braucht also wahrlich keinen menschengemachten
Klimawandel, um Autoabgase als ökologisch problematisch einzustufen. Ein Ausbau
des öffentlichen Nahverkehrs zwecks Minderung des Individualverkehrs etwa ließe
sich also durchaus auch als konservative Position verstehen.
Die Notwendigkeit des Schutzes
der Fauna manifestiert sich nicht nur in der Frage der Biodiversität und der
Artenvielfalt, sondern auch im Tierschutz mit Bezug zur Tierhaltung in der
Landwirtschaft. Jeglicher Form der Tierquälerei, sei es nun in Form
entsprechender Nutztierhaltung oder gar von Tierversuchen, gilt es auch
politisch energisch entgegenzuwirken, um den Schutz der Tiere selbst willen. Auch
hier wird der Zusammenhang zu konservativen Positionen deutlich, wenn man etwa
an den Brauch des Schächtens denkt. Leidensfähiges Leben gilt es vor allen
menschlichen Handlungen zu bewahren, die ein eben solches Leid bewirken können.
Nachhaltiger Konsum und Zero Waste
Auch mit Blick auf die Schädigung
unseres Ökosystems durch Müll – insbesondere Plastik – ließen sich schnell
konservative Positionierungen herausschälen, die aber bisher alles andere als
deutlich genug artikuliert worden sind. Und auch hier geht es eben nicht nur
darum, dass lediglich „die Landschaft verschandelt“ wird – auch derlei
Formulierungen stellen wieder primär auf das ästhetische Empfinden des Menschen
ab, anstatt die Beeinträchtigung der Natur selbst in den Blick zu nehmen. Anders
gesagt: Es geht bei der notwendigen Vermeidung von Müll eben nicht nur darum,
dass dem Menschen nicht der wohlige Anblick der Natur beim Waldspaziergang
verdorben wird, sondern um den Schutz der Natur selbst.
Einer der wesentlichsten
Unterschiede zwischen Konservatismus und Neoliberalismus manifestiert sich in
der Ablehnung der Konsumgesellschaft durch ersteren. Konservativ leben bedeutet
eben gerade die Ablehnung der Vorstellung grenzenlosen Wirtschaftswachstums und
zügellosen Lebensstils, die Ablehnung von Dekadenz, Konsum und ökonomisiertem Materialismus,
zugunsten einer ganzheitlichen, disziplinierten, bewussten Haltung, im Rahmen
derer sich der Mensch eingebettet weiß in eine Natur, die nicht nur seinen
Lebensraum darstellt und seine Heimat symbolisiert, sondern die eben auch, ohne
jede Übertreibung, eine Manifestation des Göttlichen ist.
Hier gilt es sich von
neokonservativen Autoren à la Tichy, Maxeiner und Miersch etc. zu lösen, die
dem Leser Neoliberalismus als Konservatismus zu verkaufen versuchen. Der
Konsumwille des Individuums kann in einer Welt, in der es um das Wohl von Flora
und Fauna genauso geht wie um das des Menschen, nicht mehr der Maßstab aller
Dinge sein. Daher können auch liberale Allergien gegen politische Einmischungen
in den individuellen Lebensstil nicht zur Entscheidungsgrundlage bei
ökologischen Fragen werden. Anders gesagt: Es ist durchaus legitim, wenn sich
der Staat zum Ziel setzt, seinen Bürgern etwa korrekte Mülltrennung oder nachhaltigen
Konsum näherzubringen. Fatalistisches Schulterzucken, während der
konsumfreudige, vollgefressene Teenager seine leeren McDonalds-Tüten ins
Gebüsch wirft, gehört in die Welt der 80er-Jahre-Yuppies, aber nicht ins 21.
Jahrhundert.
Um derlei Missständen zu
begegnen, können und sollten gerade auch konservative Kräfte Positionen
aufgreifen, die man keineswegs den Grünen überlassen muss, welche diese durch
ihren elitären Habitus und ihre gesellschaftspolitischen Positionen ohnehin
unglaubwürdig machen. Die Grundgedanken der sogenannten Zero-Waste-Bewegung
etwa verkörpern nahezu in Gänze konservative Werte, denn sie implizieren einen
disziplinierten, konsumkritischen und nachdenklichen Lebensstil in Harmonie mit
der Natur, ein im positiven Sinne einfaches
Leben, wie es schon zu Zeiten der Lebensreformbewegung angestrebt worden
war. Wer Müll vermeidet, tut etwas für sich, vermutlich auch für seine
Gesundheit, für die Natur, für die Gemeinschaft. Vor diesem Hintergrund wären
etwa auch wirtschaftliche Innovationen wie die sogenannten verpackungsfreien
Läden zu fördern.
Nicht nur ein ökologischer Fortschritt
Der Nutzen all dessen wäre
offenkundig – nicht einmal lediglich aus ökologischen Motivationen heraus,
sondern auch aus gesamtgesellschaftlichen. Wer ökologisch lebt, lebt
reflektierter, bewusster, verantwortungsvoller. Ein solches Bewusstsein dürfte
sich, wenn es erst einmal vorhanden ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf
andere Lebensbereiche und politische Felder ausdehnen – hin zu mehr
gegenseitigem Respekt, Werteverständnis, Rücksichtnahme, Disziplin und
Solidarität. Mehr können sich gerade Konservative schwerlich wünschen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen
Anonyme Kommentare werden nicht veröffentlicht. Bitte geben Sie bei einem Kommentar Ihren richtigen Namen an. Dazu wählen Sie die Option "Name / URL". Die Angabe einer URL ist dafür nicht zwingend erforderlich. Verzichten Sie bitte auf Pauschalisierungen und bleiben Sie sachlich. Vielen Dank.